Wölfe und Kojoten
Dann sah ich mich im Zimmer
um, öffnete die Reisetasche und hängte ein paar Sachen in den Schrank. Ich
drapierte meinen Morgenmantel auf einen Stuhl und verteilte Kosmetika auf dem
Toilettentisch im Badezimmer. Dann stopfte ich ein zusammengerolltes T-Shirt
und frische Unterwäsche in die Umhängetasche, warf einen letzten prüfenden
Blick in das Zimmer und ging zurück zur Lobby im Hauptgebäude.
In einem der Rattansessel saß ein Mann
im Westernlook und las Zeitung, vor dem Informationsstand für Touristen standen
zwei Frauen in Shorts und studierten die Broschüren. Alle drei sahen mich an,
als ich zum Empfang ging, aber das hatte nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Es
gab hier eben an einem schwülen Dienstag abend um halb zwölf Uhr wenig zu
sehen.
Mr. Perkins, der Nachtportier, war kaum
zwanzig, und der Anblick meines Ausweises machte ihn nervös. Er zog sich in
sein Büro zurück, um seinen Kollegen von der Tagesschicht anzurufen und zu
fragen, ob er einer Privatdetektivin Einblick in die Gästelisten gewähren
konnte. Während er noch drinnen war, legte ich einen Zehn-Dollar-Schein auf den
Counter, und der Angestellte holte mir das, was ich wissen wollte, auf den
Computerschirm.
Hy war am Sonntag kurz nach Mitternacht
angekommen. Um neun Uhr hatte er sich vom Zimmerservice das Frühstück bringen
lassen. Außerdem gab es eine Bestellung im Coffee-Shop von 16 Uhr 30 und eine
in der Bar von acht Uhr abends. Der einzige Anruf auf der Telefonrechnung war
der bei Alicia Ferris um 21 Uhr. Sein Zimmerschlüssel und die
Abbuchungsermächtigung für seine Kreditkarte hatte am Montag morgen in der Box
für Express-Checkouts gelegen. Ich fragte, ob das Zimmer seitdem wieder
vergeben worden sei. Er sah nach. Zur Zeit sei es belegt.
Mr. Perkins tauchte wieder aus seinem
Büro auf und sagte, leider habe er den Kollegen von der Tagesschicht nicht
erreichen können. Ich solle doch am nächsten Morgen selbst mit ihm sprechen.
Das wollte ich tun, sagte ich und wartete, bis er wieder verschwunden war.
Anschließend fragte ich, ob der Mann vom Sicherheitsdienst inzwischen von seiner
Pause zurückgekehrt sei. Das war nicht der Fall, aber er könne im Coffee-Shop
sein. Er heiße Ken Griffith, und ich solle mich nach einem schwergewichtigen
Mann mit beginnender Glatze in brauner Uniform umsehen.
Als ich zum Coffee-Shop hinüberging,
schickte mir eine der Frauen am Informationsstand einen neugierigen Blick
hinterher. Der Mann im Westernlook blieb in seine Zeitung vertieft.
Ken Griffith war der einzige Gast im
Coffee-Shop. Er saß am hinteren Ende des Raumes in einer Nische und stocherte
in den Salatresten auf seinem Teller. Als ich ihm meinen Ausweis zeigte, bat er
mich, Platz zu nehmen. Ich überflog die Speisekarte, weil ich eine Kleinigkeit
essen wollte, aber das Angebot — Pago Pago Burger, Fruchtsalat Tahiti und
kalorienarmer Schlemmerteller — sah auf den knallbunten Fotos alles andere als
appetitanregend aus. Griffith beglückwünschte mich zu meiner Abstinenz. Auch
der chinesische Hühnersalat, den er gewöhnlich hier aß, sei unter aller Kritik.
Ich holte Hys Foto aus der Tasche und
schob es über den Tisch. »Der Mann war am Sonntag Gast hier. Erinnern Sie sich
an ihn?«
Griffith musterte das Foto mit geübtem
Blick — dem Blick eines Ex-Polizisten, würde ich wetten. »Ja, ich erinnere
mich. Ich habe ihn mir sogar besonders gut angesehen.«
»Warum?«
»Irgend etwas hatte er an sich. Er war
zwar ruhig, hätte aber auch Schwierigkeiten machen können.«
»Hatten Sie Schwierigkeiten mit ihm?«
Griffith schüttelte den Kopf. »Aber man
kann das den Leuten nie vorher ansehen. Warum suchen Sie ihn?«
»Routinesache. Wie oft haben Sie ihn
gesehen?«
»Zweimal. Als er eincheckte und am
späten Sonntag nachmittag, vielleicht so um Viertel vor fünf, als er den
Parkplatz verließ.«
»Haben Sie sich gemerkt, in welcher
Richtung er fuhr?«
»Nach links, Richtung Freeway in
westlicher Richtung.«
»Und da haben Sie ihn zum letztenmal
gesehen?«
»Stimmt.« Griffith sah auf die Uhr. Er
wollte wohl bald an seine Arbeit zurück.
Ich sah zu den beiden Kellnerinnen
hinüber, die ein paar Tische abräumten. »Können Sie mir sagen, ob diese
Kellnerinnen hier auch am Sonntag gegen halb fünf Dienst hatten?«
»Wahrscheinlich.« Er drehte sich um und
rief der Frau in unserer Nähe zu: »He, Emma, deine Schicht geht doch von vier
bis Mitternacht, stimmt’s?«
»Ja.«
»Kannst du mal eine Minute rüberkommen?
Die
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