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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Jetzt erst sah ich mich um.
    Niemand zu sehen.
    Ich suchte mit den Augen die Front des
Restaurants ab und entdeckte Wagen Nummer 1102 von Reliable Cab genau an der
Stelle, zu der ich ihn bestellt hatte. Ich packte meine Tasche und rannte auf
das Taxi zu.
    Schwester Rabbit auf dem Weg zu ihrem
Dornbusch.
     
     
     
     
     

10
    Das Haus lag düster und schweigend da.
Alter, Vernachlässigung und — für jemanden, der es von früher kannte — auch
Enttäuschung lasteten auf ihm. Ich zog den Schlüssel, der seit der
High-School-Zeit in meinem Besitz geblieben war, aus dem Schloß, zog die Tür
hinter mir zu und ließ meine schwere Tasche auf den Boden fallen.
    Im Innern hatte sich die Hitze des
Tages gefangen, und es roch muffig. Aus alter Gewohnheit ging ich durch den
Flur in Richtung Küche. Knackende Holzdielen und ächzende Balken stimmten mit
anderen Geräuschen einen klagenden Chor an.
    Beim Einschalten der Küchenlampe
überwältigte mich das Ausmaß der Veränderung. Es fehlte das Geschirr mit seinem
fröhlichen Blumenmuster im gläsernen Küchenschrank, die leuchtenden
Keramikschüsseln und roten Blechdosen auf den Abstellflächen. All diese Dinge
waren nun in Mas neue Küche in dem Haus in Rancho Bernardo gewandert, das sie
mit Melvin Hunt, ihrem neuen Lebensgefährten, bewohnte. Im Raum hing ein
unangenehmer Geruch, eher von Reinigungsmitteln als von den Resten herzhafter
Mahlzeiten. Ich ging zum Spülbecken und sah aus dem Fenster zum dunklen
Rechteck der Garage hinüber. Natürlich hatte ich nichts erwartet, und doch war
es seltsam, kein Licht zu sehen, nicht das Summen und Quietschen elektrischer
Geräte zu hören, begleitet von der Radioübertragung eines Baseballspiels oder
von Pas rauher Stimme, wenn er eines seiner schmutzigen Liedchen sang. Doch Pa
reiste jetzt seit drei Monaten in seinem neuen Wohnmobil durchs Land —
vermutlich mit einer neuen Freundin. Seltsamerweise hatte niemand von uns
gewagt, ihn danach zu fragen. Ob Pa wirklich so verschlossen war, daß er seinen
erwachsenen Söhnen und Töchtern Fragen nach seinem neuen Leben übelgenommen
hätte?
    Ich lehnte mich an die Spüle, mit dem
Rücken zum Fenster, schloß die Augen und lauschte. Der Verkehrslärm — soweit um
diese Zeit überhaupt vorhanden — drang zum Ende der Sackgasse hier nur gedämpft
vor. Trotzdem war das Haus so still wie nie zuvor. Kein Gelächter, kein Zanken,
kein Rufen, keine Spötteleien, kein plötzlicher Gesang. Die Stimmen unserer
Eltern und von uns fünf Kindern, den Freunden und Verwandten und schließlich
den Enkelkindern, waren verstummt. Nur die Erinnerung sprach zu mir.
    Was wollte ich hier eigentlich?
    Nun ja, schließlich war dieses Haus die
beste Zuflucht vor den RKI-Leuten, die mir eingefallen war. Viele Jahre lang
hatte Pa — ein echter Fall von Paranoia — auf einer geheimen Telefonnummer
bestanden. Seit der Scheidung meiner Eltern war er nicht einmal mehr im
Grundbuch eingetragen. Das gemeinsame Eigentum mußte zwischen ihm und Ma
aufgeteilt werden, und so hatte er verkaufen müssen. Er hatte einen Handel mit
dem einzigen Mitglied unserer Familie abgeschlossen, das wirklich Geld besaß —
der Mann meiner Schwester Charlene, Ricky Savage, ein Countrymusikstar. Vor
einigen Jahren, als alle Rickys Zukunft nur noch als Hintergrundmusiker in
einer zweitklassigen Band sahen, hatte Pa ihm Geld für ein letztes Demo-Band
geliehen. Ricky gelang dabei mit ›Cobwebs in the Attic of My Mind‹ ein
regelrechter Hit, und seitdem hatte er nach einer passenden Gelegenheit
gesucht, sich für Pas Glauben an ihn zu revanchieren. Die Scheidungskrise
lieferte sie ihm: Ricky kaufte das Haus mit der schriftlichen Zusage für Pa,
daß er dort so lange wohnen kann, wie er will. Das Anwesen war nun auf eine
Firma eingetragen, die Charlene und Ricky unter steuerlichen Gesichtspunkten
gegründet hatten.
    Denkbar war es natürlich, daß RKI mich
auch hier fand, aber so lange hatte ich nicht vor, hier zu bleiben.
    Nachdem ich vor Paoli’s Restaurant in
das Taxi gestiegen war, hatte ich mich zum Westgate Hotel in der Innenstadt
fahren lassen. Ich betrat es durch den Seiteneingang, durchquerte die Lobby und
ging zum Haupteingang wieder hinaus. Dort nahm ich ein anderes Taxi, mit dem
ich zum Hilton an der Mission Bay fuhr. Hier wartete ich eine halbe Stunde, um
mit einem dritten Taxi weiterzufahren. Drei verschiedene Taxi-Unternehmen und
drei verschiedene Einstiegstellen. Keiner der Fahrer hatte beobachten können,
in welchen

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