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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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säuerlichem Blick ein geräuschvolles
Touristenquartett, das ein mit Früchten garniertes Gebräu trank und sich über
seinen Besuch im Sea World unterhielt. Ich kramte meinen Ausweis und Hys Foto
aus der Tasche und legte beides mit einem Zwanziger auf die Bar.
    Der Keeper warf einen Blick auf die
drei Dinge, neigte den Kopf zur Seite und wartete.
    »Sonntag abend«, sagte ich, »gegen
acht. War dieser Mann da hier?«
    Er nickte.
    »Haben Sie ihn bedient?«
    »Ein Bier. Hat vielleicht drei
Viertelstunden daran genuckelt.«
    »Haben Sie mit ihm geredet?«
    »Der gehörte nicht zu den Leuten, die
mit Barkeepern reden.«
    »Sonst noch was?«
    »Er bat mich um Kleingeld für den
Zigarettenautomaten, zog eine Schachtel und ging.«
    Aber Hy rauchte doch nicht. Soweit ich
wußte, hatte er nie geraucht. »Sind Sie sicher, daß er sich Zigaretten geholt
hat?«
    »Winston.« Er zeigte nach links. Den
Zigarettenautomaten hatte man als einziges Möbel im Raum innenarchitektonisch
nicht in den Griff gekriegt.
    Die Touristen riefen nach der nächsten
Runde. Der Barkeeper entschuldigte sich und brummelte etwas vor sich hin. Ich
nippte an meinem Wein und schaute durch die Tür in die Lobby. Der Mann im
Westernlook hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Ich überlegte kurz, wie ich
weiter vorgehen sollte.
    Als der Barkeeper zurückkam, fragte
ich: »Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«
    »Das war alles. War ein netter, ruhiger
Gast — aus meinem Mund ist das ein Lob.« Mit einem weiteren säuerlichen Blick
auf die Touristen mixte er ihre Drinks.
    Nicht viel an Information für zwanzig
Dollar, dachte ich, ließ aber dennoch den Schein neben meinem halbvollen Glas
auf der Theke liegen. Im Gang zu den Toiletten blieb ich am Münztelefon stehen.
Nach einem kurzen Anruf bei der Reliable Cab Company ging ich auf den Parkplatz
hinaus.
    Die Luft war — was im Juni in San Diego
selten vorkam — selbst eine halbe Stunde nach Mitternacht noch schwül. Das
weiche Licht kleiner Lampen unterbrach die Dunkelheit. Weder zu Fuß noch in
einem der Wagen konnte ich irgend jemanden entdecken. Beiläufig schlenderte ich
in Richtung meines Zimmers. Ich trat vorsichtig und gleichmäßig auf und
lauschte auf fremde Schritte. Eine Weile hörte ich nur meine eigenen. Dann
hörte ich noch etwas anderes, wie ein gedämpftes Echo meiner Schritte.
    Langsam ging ich weiter, bis zu meiner
Tür, und zögerte in gespielter Unentschlossenheit. Dann setzte ich meinen Weg
zum Motel nebenan fort. Die Schritte — irgendwo hinter mir — hielten inne und
kamen dann gleichmäßig näher. Ihr Echo hallte leise von den umliegenden
Gebäuden wider. Ich ließ mir nicht anmerken, daß ich etwas hörte, sondern
schlenderte wie eine abendliche Spaziergängerin zum Haupteingang des
Nachbarmotels. Die Schritte stoppten. Mein Schatten gönnte mir einen größeren
Abstand.
    Das war sein Fehler. Kaum war ich in
der Lobby, gab ich Gas. Ich umrundete einen hohen Pflanzkübel, zog den Kopf ein
und legte noch mehr Tempo zu. Meine Erinnerung hatte mich nicht getäuscht, denn
Bar und Eingang zur Damentoilette lagen nun direkt vor mir.
    Mit klopfendem Herzen stieß ich die
Schwingtür zur Toilette auf. Ich eilte an den Spiegeln vorbei und fing den
überraschten Blick einer Frau auf, die sich gerade frisierte. Mein eigenes
flüchtiges Spiegelbild zeigte mir ein grimmig-entschlossenes Gesicht.
    Durch die andere Schwingtür gelangte
ich zum Swimmingpool. Dunkelheit bis auf das helle aquamarinblaue Rechteck des
Beckens. Jetzt nicht zögern — ein kurzer Sprint nach rechts, ein paar Stufen
hinauf, durch das Tor in der Hecke und hinaus in die Gartenanlage.
    Weiße Wege aus Muschelkies, von kleinen
Lampen gesäumt, wanden sich zwischen Sträuchern hindurch. Vereinzelt drang
warmes Licht aus den Gästezimmern.
    Nach meinem Verfolger brauchte ich gar
nicht zu horchen — ich hätte ihn ohnehin nicht hören können. Und durch Umsehen würde
ich nur Zeit verlieren.
    Hier mußten Gardenien stehen mit ihrem
süßen, leicht modrigen Duft und eine andere, bitter riechende Pflanze. Nun noch
um eine Hecke, dahinter fiel das Licht von Paoli’s Restaurant hell auf den
Parkplatz.
    Der Parkplatz lag etwas tiefer. Eine
ein Meter zwanzig hohe Stützmauer faßte ihn ein. Ich ging auf der Mauerkrone in
die Hocke und sprang. Ich stieß mir die Beine am Beton an. Den Schmerz
ignorierte ich, als ich im Schutz der Autos weiterlief.
    In der letzten Wagenreihe blieb ich, an
eines der Autos gelehnt, stehen.

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