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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Wagen ich anschließend einstieg.
    Hier war Mobilität nun kein Problem
mehr. Aus einem erst kürzlich geführten Telefongespräch mit meinem Bruder John,
der ganz in der Nähe in Lemon Grove wohnte, wußte ich, daß er seinen
vierradgetriebenen International Scout in Pas Garage abgestellt hatte. Es war
ein McConesches Syndrom, zu viele Fahrzeuge zu besitzen und gleichzeitig zuviel
Gerümpel in Garagen anzusammeln, und John gab freimütig zu, darunter zu leiden.
Er sagte, ich könne den Scout gern benutzen, wenn ich Pa das nächstemal
besuche. Eine andere Eigenart meines großen Bruders, die er ebenso offen als
ein Erbteil von Pa ansah, kam mir ebenfalls zustatten: Sollte sich RKI hier in
der Umgebung nach Verwandten von mir umschauen, würden sie nicht auf John
stoßen. Sein Haus, sein Telefon und seine Fahrzeuge waren ausnahmslos auf den
Namen seiner Malerfirma eingetragen, und die hieß Mr. Paint.
    Ich stieß mich vom Spülbecken ab, holte
die Garagenschlüssel aus der Schublade, in der sie aufbewahrt wurden, und ging
hinaus. Die Garage befand sich am Ende des Grundstücks noch hinter dem später
hinzugefügten Schlafzimmeranbau. Auf meinem Weg durch den dunklen Hof kam mir
in den Sinn, daß das Haus immer etwas seltsam Chamäleonhaftes gehabt hatte. Aus
einem kleinen Drei-Zimmer-Ranchhaus auf einem großen Grundstück war es zu einem
architektonischen Horrorgebilde geworden, das sich mit seinen inzwischen acht
geräumigen Zimmern nach beiden Seiten in die Landschaft gefressen hatte.
Badezimmer waren dazugekommen. Die Küche war zweimal verlegt worden. Ein großer
Wohnraum wurde angebaut und später in ein Schlafzimmer umgewandelt. Dahinter
war ein neuer Wohnraum entstanden. Die Zimmer wechselten Funktion und Bewohner
so schnell, daß man einen Wegweiser zur Orientierung brauchte. Zu guter Letzt
ähnelten Grundriß und Äußeres nur noch in Andeutungen dem, was der Erbauer
einmal im Sinn gehabt haben mochte.
    Eine normale Familie wäre wohl verrückt
geworden bei dem ständigen Hin und Her, aber da geistige Gesundheit bei den
McCones nicht auf Platz eins rangierte, akzeptierten sie das Chaos frohgemut
als Status quo. Einmal landete ich beispielsweise auf der Suche nach einem
mitternächtlichen Imbiß schlaftrunken im Zimmer meines älteren Bruders und fand
mich statt in der Küche, die sich sonst dort befunden hatte, in der Mitte von
einem Dutzend pubertierender Jünglinge wieder, die mich in meinem kurzen Shorty
anpeilten. Na und? war Mas Reaktion auf meine Beschwerde. Häufiger Wechsel,
behauptete mein seefahrender Vater, trage zur Formung des Charakters bei.
    Wen wunderte es da, daß ich stets
völlig überreizt war, wenn in meinem Erdbeben-Cottage mal etwas renoviert
werden mußte?
    Ich ging durch den Patio zwischen dem
Wohnraum und dem Zaun am Rand des Cañonausläufers. Plötzlich blieb ich stehen.
Irgend etwas Unbekanntes hatte mich aufgeschreckt. Ich sah mich um, konnte aber
zunächst nichts entdecken. Wie bitte...? O nein — Pa hatte den Swimmingpool
aufgefüllt und zugepflastert!
    Sicher, er hatte als Pool nie richtig
funktioniert, schon als Pa und Ma das Haus kauften. Ein Düsenjäger vom
Miramar-Stützpunkt, der die Schallmauer durchflog, hat ihm dann den Rest
versetzt. Doch dafür hatte er dann jahrelang bestens als gut drainierter Gemüsegarten
gedient, nachdem wir Humus auf den Schutt geschüttet hatten. Jetzt war dort, wo
früher Tomaten, Auberginen, Mais, Melonen, Buschbohnen, Erbsen und Zucchini
wuchsen, nur noch Beton. Sprachlos fuhr ich mit dem Fuß über die erst kürzlich
gegossene weiße Fläche.
    Was noch? fragte ich mich.
    Ich ging weiter bis zur Garage und
öffnete etwas beklommen die Seitentür. Doch hier fand ich nichts Bizarres, nur
Pas mit einer Plane abgedeckte Schreinerausrüstung und die ganze Palette der
McCone-schen Sammelwut. Sie türmte sich vom Boden bis zu den Dachbalken. Johns
roter Scout hatte gerade noch in der letzten freien Ecke Platz gefunden. Ich
stieg ein. Der Zündschlüssel steckte, Kfz-Schein und Versicherungskarte lagen
im Handschuhfach. Hinten, in einem festgeschraubten Behälter aus
Recycling-Kunststoff, befanden sich eine Warnleuchte, der Erste-Hilfe-Kasten,
Autokarten und eine Flasche Trinkwasser. Drei Schlafsäcke waren neben die
Radkästen gestopft. Ich prüfte Benzin, Öl und Batterie. Es war alles in
Ordnung.
    Das sah John gar nicht ähnlich, dachte
ich. Aber ich wußte, daß mein großer, rauflustiger Bruder — er mußte ebenso
viele Gefängniszellen

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