Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
Glas forttrug, erinnerte mich sein
selbstgefälliger Gesichtsausdruck an meine Mutter, wenn sie einen von uns mit
irgendeinem Trick dazu gebracht hatte, eine besonders ekelhafte Medizin zu
schlucken. Aber ich mußte zugeben, daß ich mich jetzt besser fühlte, genau wie
auch nach Mas Behandlungen.
    John kam zurück und setzte sich auf
seinen alten Platz. »Also?« sagte er und wartete.
    »Bevor ich anfange, möchte ich dich
etwas fragen. Beschäftigst du auch manchmal Illegale?«
    »Ja, sicher. Jedes kleinere Unternehmen
im County tut das. Ich selbst habe schon welche eingestellt, und soweit ich
weiß, tun es auch meine Vorarbeiter.«
    »Ist dir nicht klar, daß das Ausbeutung
ist?« Das gehörte zwar nicht zum Thema, aber gar so zielbewußt steuerte ich es
ohnehin nicht an. Die Frage interessierte mich einfach.
    »Nein«, sagte er kategorisch. »Sie
haben wenigstens etwas zu essen, und mir ermöglichen billige Arbeitskräfte, im
Geschäft zu bleiben.«
    »Aber was ist mit ihren Rechten?«
    »Was für Rechte? Sie sind illegal
hier.«
    »Falls du es nicht weißt: Es gibt
mehrere Gerichtsurteile, die im wesentlichen besagen, daß unregistrierte
Immigranten von dem Augenblick an, in dem sie das Land betreten, unter dem
Schutz unserer Gesetze stehen.«
    »Ja, natürlich, läuft das denn nicht
immer so? Man schützt den Kerl, der illegal hier ist, auf Kosten des hier
geborenen. Man wahrt die Rechte des Täters auf Kosten des Opfers. Verdammt
schlecht wird mir von so was.«
    »Ich verstehe, warum du...«
    »Nein, nichts verstehst du, Shar. Du
bist kein kleiner Geschäftsmann, der sich abstrampelt, um seinen Kindern ein
ordentliches Leben zu ermöglichen. Ich weiß, was du jetzt dazu sagen wirst:
Auch die Illegalen sind hier, um ihren Kindern ein ordentliches Leben zu
ermöglichen.« Er holte tief Luft. »Zum Teufel, du weißt, daß ich Mitleid mit
ihnen habe. Wir werden alle beschissen, und zwar von denen, die die Dinge
wirklich in der Hand haben. Ich behaupte nicht, einen Wohltätigkeitsverein zu
leiten, aber die Kerle, die ich anheure, werden gut behandelt und können
wenigstens ihrer Familie die Mäuler stopfen. Eine anständige Mahlzeit ist
verdammt weit nahrhafter als das Gequassel irgendeines betuchten Politikers
über irgendwelche Rechte.«
    »Eins zu null für dich.«
    »Ja, ja.« Er kniff die Augen zusammen.
»Was wolltest du eigentlich mit der Frage nach den Illegalen? Sitzt du an einem
Fall mit Immigranten?«
    »Ich sitze an gar keinem Fall,
jedenfalls nicht offiziell.« Und dann berichtete ich. Bald sprudelte es aus mir
heraus, daß ich kaum noch zu Atem kam — viel zu schnell und viel zu emotional.
Es war eine eigentümliche Mischung aus Wut, Angst und Entschlossenheit. Während
ich sprach, sagte John kein Wort, aber sein Gesicht wurde immer grimmiger.
»Daher also die Frage«, meinte er, als ich geendet hatte. »Holiday Market.«
    »Du kennst ihn?«
    Er nickte. »Letztes Jahr hatten wir
eine Menge Aufträge in South Bay. Ab und zu verscheuchten die Cops die
Illegalen vom Holiday. Dann gingen die einfach ein paar Schritte weiter zum
Parkplatz einer Taco-Bude. Verscheuchte die Polizei sie von dort, ging’s zurück
zum Market.«
    »John, ich muß herausfinden, ob Hy dort
war und was passiert ist. Kannst du den Kerl, der den Laden dort führt,
irgendwie dazu bringen, daß er mit mir redet? Oder kennst du jemanden, dem er
trauen würde?«
    Er dachte nach. »Zwei von meinen
Vorarbeitern, Al und Pete, sind Latinos, und ich weiß, daß sie dort oft Leute
angeheuert haben. Vielleicht einer von ihnen. Ich werde sie fragen.«
    »Wirklich?«
    »Sicher.« Er runzelte die Stirn und
zupfte an seiner Unterlippe — eine Angewohnheit aus Kindertagen, wenn er sich
Sorgen machte. »Aber sag mal, Kindchen, übernimmst du dich da nicht?« Kindchen.
Es war Jahre her, daß er mich so genannt hatte. Wann hatte er damit aufgehört? Es
muß ungefähr zu der Zeit gewesen sein, als ich auf einen Mann geschossen und
ihn getötet hatte. Erstaunt stellte ich fest, daß er so lange gebraucht hatte,
um damit fertig zu werden und zugeben zu können, daß ich ganz tief in seinem
Innern noch immer seine kleine Schwester war.
    Ich antwortete ihm ehrlich. »Schon
möglich, aber ich habe keine andere Wahl.«
    »Dieser Ripinsky bedeutet dir viel?«
    »Ja. Es ist... eine seltsame Beziehung.
Ich weiß nicht genau, wie ich sie dir erklären soll. Aber er ist der einzige
Mensch — vielleicht mit Ausnahme von Ma —, der immer gewußt hat, wer und

Weitere Kostenlose Bücher