Wölfe und Kojoten
Dort verbrachte ich ein paar ermüdende Stunden mit der Überprüfung von
Unterlagen. Ich stieß auf die Geburtsurkunde eines Edward Brockowitz, doch bald
darauf auch auf einen Totenschein. Im Jahr 1961 war im Balbao Naval Hospital
eine Analisa Navarro geboren worden, doch weitere Spuren von ihr fanden sich
nicht. Beide Namen waren in keinem Wählerverzeichnis oder Firmenregister zu
finden, auch nicht in den Listen für Geschäftsgründungsanträge oder sonstige
Lizenzen. Auch im Grundsteuerverzeichnis waren sie nicht eingetragen.
Sehr entmutigt verließ ich das Center.
Navarro und Brockowitz mußten schließlich nicht aus dem San Diego County, ja
nicht einmal aus Kalifornien stammen. Normalerweise hätte ich jetzt meine
Ermittlungen auf andere Counties, auf Staats- und Bundesbehörden ausgedehnt,
doch nicht in diesem Fall. Dieses Vorgehen war langwierig und zeitraubend und
keineswegs immer von Erfolg gekrönt.
Mir fiel eine Person ein, die mir
vielleicht helfen konnte, aber aus Sicherheitsgründen wollte ich den Kontakt zu
ihr auf einen einzigen Anruf beschränken. Müde, wie ich war, könnte ich eine
bestimmte Frage vergessen oder etwas Naheliegendes übersehen. Meine Reaktionen
waren langsamer geworden. Wenn ich auf diese Weise weitermachte, lief ich
Gefahr, einen fatalen Fehler zu begehen. Obwohl es erst vier Uhr nachmittags
war, beschloß ich, zum Haus meines Vaters zurückzufahren und das Problem zu
überschlafen. Vielleicht lieferte mir mein stets überaktives Unterbewußtsein
eine Lösung.
Ein undefinierbares Geräusch weckte
mich. Ich setzte mich auf dem Wohnzimmersofa auf. Es herrschte völlige
Dunkelheit. Die Temperatur war spürbar gesunken. Eine kalte Brise raschelte in
den Vorhängen an der Tür zum Patio. Ich stand auf, ging hinüber und sah hinaus.
Ich konnte nichts entdecken. Dann tastete ich mich zum Schreibtisch und warf
einen Blick auf die Uhr. Fast halb zwölf. Ich hatte über sechs Stunden
geschlafen.
Wieder ein Geräusch — irgendwo draußen.
Schlich da ein Tier aus dem Cañon herauf, oder schlich ein Mensch ums Haus?
Vorsichtig ging ich zur Tür zurück und
prüfte, ob das Fliegengitter eingehakt war — nicht, daß es für jemanden, der
wirklich hereinwollte, ein großes Hindernis gewesen wäre. Dann blieb ich ganz
ruhig, fast ohne zu atmen, stehen und beobachtete genau das Spiel von Licht und
Schatten.
Noch einmal wiederholte sich das
Geräusch, und diesmal sah ich, daß sich etwas bewegte — ganz rechts, gegenüber
der Küche. Etwas Dunkles huschte vor den Büschen entlang und verschwand. Ich
hatte gerade noch erkennen können, daß es eine menschliche Gestalt war. Ich
wartete noch fünf Minuten an der Tür, dann schob ich die innere Glastür zu und
verriegelte sie. Als nächstes mußte ich die Küchentür überprüfen...
Das Telefon schrillte.
Geh nicht ran, dachte ich. Und wenn es
wichtig war? Aber das konnte nicht sein. Nur John wußte, daß ich hier war. Ich
ließ es läuten. Wer immer da draußen war, sollte den Eindruck gewinnen, das
Haus sei unbewohnt. Dann würde ich John zurückrufen.
Nach achtmaligem Läuten wurde
aufgelegt. Ich ging zum Schreibtisch und tippte Johns Nummer. Er meldete sich
sofort. »Du bist also doch da. Bist du okay?«
»Ja. Was ist los?«
»Dein Mr. Renshaw hat mir gerade einen
Besuch abgestattet. Er sagte...«
Ich unterbrach ihn. »Leg auf. Geh aus
dem Haus und such dir ein Münztelefon. Ruf mich von dort zurück.«
Ohne weiteres befolgte er meine
Anweisung. Ich sperrte die Küchentür ab, kontrollierte die Fenster und wartete.
Als das Telefon nach fünfzehn Minuten läutete, griff ich hastig nach dem Hörer.
Johns Stimme wurde von Musik übertönt. »Okay, ich bin in einem Lokal, es heißt
Pinky’s. Es ist mir jemand gefolgt, aber sie sind noch nicht hereingekommen.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie mein Telefon angezapft haben sollen, wo
doch Renshaw gerade erst...«
»Wir wissen ja nicht, wie lange sie
schon über dich Bescheid wissen. Theoretisch könnten sie dein Haus schon den
ganzen Tag beobachtet haben. Wir sollten uns mit dem Gespräch lieber beeilen. Was
hat Renshaw gesagt?«
»Ich soll dir sagen, ihr wärt quitt,
wenn du nach La Jolla in ihr Büro fährst und das Geld, das er dir gezahlt hat,
wieder herausrückst, zusammen mit allen Informationen, die du über Ripinsky
hast.«
Na klar doch. »Ist das alles?«
»Das ist alles, wozu er gekommen ist.
Ich habe ihm gesagt, wir hätten seit Jahren nicht miteinander gesprochen,
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