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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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seinen Klassenring von der Fähre nach Coronado ins Wasser
geworfen hatte. »Er hat eine mit einer Menge Geld geheiratet, die ihm dann das
Leben zur Hölle gemacht hat«, fügte ich mit einigem Behagen hinzu. »Inzwischen
sind sie geschieden.«
    »Ist heute nicht jeder geschieden? Was
macht Joey denn inzwischen?«
    »Er lebt in McMinnville oben in
Oregon.«
    »Und was macht er?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Arbeitet
in einem Restaurant — zumindest war das der Stand von letzter Woche.«
    Viner schüttelte den Kopf. »Joey ist
ein guter Kerl, aber... Glaubst du, er wird jemals zu sich selbst finden?«
    »Joey hat nicht das Gefühl, ein
Verlierer zu sein.«
    Er lächelte, wurde dann aber wieder
ernst. »Was kann ich also für dich tun?«
    Ich zog meinen Ausweis hervor und schob
ihn über den Schreibtisch. Seine Augen weiteten sich erstaunt, als er ihn
betrachtete. »Was sagt man dazu? Vom Cheerleader zur Privatdetektivin. Hast du
dein eigenes Büro, oder arbeitest du für jemand anderen?«
    »Für jemand anderen, eine
Anwaltskanzlei in San Francisco.« Das kam ganz automatisch, doch dann fiel mir
ein, daß das gar nicht mehr stimmte. »Ich bin in einem Routineauftrag hier:
eine Vermißtensuche. In diesem Zusammenhang bin ich auf einiges gestoßen, was
dich interessieren könnte. Was weißt du über eine Schießerei am Sonntag abend
in einer abgebrannten Lehmhütte auf der Mesa oberhalb der Monument Road in San
Ysidro? Das Opfer war ein weißer Amerikaner.«
    »Warum willst du das wissen?«
    »Ich habe davon gehört, und zwar von
irgendwelchen Latinos, die ich in South Bay befragt habe.«
    »Und darum bist du, wie sich das für
eine gute Staatsbürgerin gehört, gleich hergeeilt, um es mir zu melden.«
    »Nein, ich bin hier, weil das Opfer der
Mann sein könnte, den ich suche.«
    »Sein Name?« Er griff nach
Kugelschreiber und Notizblock.
    »Das kann ich nicht sagen. Es ist ein
Routinefall. Ein Verbrechen spielt nicht hinein, und die Familie will keine
Publicity.« Es war mir unangenehm, daß ich so schlecht lügen konnte, besonders
weil Viner ein alter Freund meines Bruders war. Aber diese spezielle Situation
brachte es mit sich, daß ich mit verdeckten Karten spielen mußte.
    Viner seufzte, warf den Stift auf die
Tischplatte und wandte sich seinem Computer zu. Er tippte, starrte auf den
Bildschirm und las: »Männlich, weiß. Ein Meter siebenundachtzig, mittelkräftig,
braunes Haar, keine besonderen Kennzeichen. Bauchschuß aus einer .44er Magnum.
Anonymer Anruf beim Revier Süd — zu deiner Information: San Ysidro gehört in
den Zuständigkeitsbereich von San Diego — am Montag morgen, zwei Uhr
einundfünfzig. Die Leiche liegt im Leichenschauhaus, aber die Identität konnte
noch nicht festgestellt werden. Wir überprüfen, ob seine Fingerabdrücke
registriert sind, aber du weißt ja, wie so etwas läuft.«
    Zuerst schwieg ich, aus Angst, meine
Stimme könnte meinen inneren Aufruhr verraten. Die Beschreibung konnte auf Hy
passen — oder auf Timothy Mourning. Schließlich fragte ich: »Ist irgendein Ring
an dem Toten gefunden worden?«
    Viner starrte auf den Schirm, dann
schüttelte er den Kopf. »Könnte gestohlen worden sein, bevor wir zum Tatort
kamen. Was, zum Teufel, hatte er da mitten in der Nacht zu suchen?« Er seufzte
wieder. »Es waren Beaner, Bohnenfresser, die ihn erschossen haben, und ich
wette, daß wir den Mörder nie erwischen. Sie müßten an der Grenze so etwas wie
die Berliner Mauer hochziehen, dann wäre mein Job nur noch halb so schwer.«
    Ich ignorierte diese Bemerkung und
sagte nur: »Vielleicht kann ich die Leiche ja identifizieren. Ich würde es gern
versuchen.«
    »Okay, fahr zum County Center. Ich
melde dich telefonisch an. Sag mir anschließend Bescheid.«
    Ich stand auf und ging zur Tür.
    »McCone«, rief er mir nach.
    »Ja?«
    »Kannst du noch radschlagen?«
    »Wie bitte?«
    »Ein Rad schlagen, das habt ihr Mädchen
doch immer gemacht, wenn das Team einen Punkt gewann.« In seinem Lächeln
mischte sich Nostalgie mit Lüsternheit. »Mein Gott, wie ich immer darauf
gewartet habe! Du trugst die hübschesten kleinen Bikinihöschen von allen.«
    Erstaunt sah ich ihm einen Augenblick
lang ins Gesicht. Dann drehte ich mich um und machte mich auf den Weg zum
Leichenschauhaus.
     
    Es war schnell warm geworden, und die
Klimaanlage im streng funktionalen Behördencenter im Norden nahe der
Miramar-Marinefliegerbasis arbeitete verdammt schlecht. Normalerweise herrscht
in der Abteilung für

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