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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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ihm die Tür aus der Hand und fegte in die Hütte. Rasch drückte er sie hinter sich zu. Er blieb eine Weile vor der Hütte stehen. Falls jemand wach geworden war und sein Fehlen bemerkte, konnte er jetzt immer noch sagen, er wäre nur pinkeln gewesen. Vor dem Plumpsklo in der Hütte ekelten sich nämlich alle, sie gingen lieber in den Wald. Niemand kam. Es war fünf Uhr nach der Sommerzeit. Also vier. Bald würde die Sonne aufgehen. Ihm blieben höchstens zwei Stunden, dann mußte er wieder in der Hütte sein. Er ging los, kam nur langsam vorwärts. Es wurde schon ein klein wenig hell. Als sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, konnte er die Taschenlampe ausschalten. Der Wind zerrte an seiner Kleidung und nahm ihm fast den Atem. Auf dem Waldweg war es besser. Die hohen Bäume hielten das Ärgste ab. Nur das Rauschen war sehr, sehr unheimlich. Er würde nur bis zu dem Holzstoß hinter der Biegung gehen. Das reichte schon. Ein Hochsitz war bei diesem Wind auch viel zu gefährlich. Der Wolf konnte überall sein, also war es ziemlich egal, wo er auf ihn wartete. Die Chance, ihn zu sehen, war sowieso gering, das wußte er. Aber er mußte es wenigstens versuchen. Ein richtiger Wolfsjäger müßte tagelang unterwegs sein und den Spuren folgen. Aber das erlaubten sie ihm ja nicht. Wütend stemmte er sich gegen den Sturm. Der Weg beschrieb eine Biegung, und als Jonas um die Kurve kam, sah er ihn. Den Wolf.
    Er stand mitten auf dem Weg und schaute ihn an. Er schien genauso überrascht wie der Junge. So wie der Wind stand, hatte er ihn wohl nicht gewittert. Sie standen sich gegenüber, etwa zehn Meter voneinander entfernt. Der Wolf war grau und an Brust und Unterseite etwas heller. Die Beine waren dunkelgrau und erschienen dünn im Verhältnis zum Körper. Das Fell war sehr dick, vermutlich war es noch der Winterpelz. Seine Nase war tiefschwarz und seine Augen hell mit schwarzen Rändern und großen, dunklen Pupillen. Auch die Ohren waren schwarz, und sein breiter Backenbart hatte helle Spitzen. Der Wolf hatte Augen und Ohren auf den Jungen gerichtet. Dem stockte der Atem. Er wußte nicht, ob er Angst hatte oder ob es nur die Erregung war. Jedenfalls spürte er plötzlich, wie es ihm warm die Beine hinunterlief. Aber er kümmerte sich nicht darum, sondern besann sich auf seine Aufgabe.
    »Bleib stehen, Wolf. Nicht weglaufen, Wolf.« Jonas mußte gegen den Sturm anschreien. »Ich tu dir nichts«, fügte er leiser hinzu.
    Der Wolf legte den Kopf schräg, wie ein Hund, der ungewohnte Geräusche hört. Langsam ließ Jonas die rechte Hand in die Tasche seines Parkas gleiten und zog seine Kamera heraus. Das leise Schnurren, mit dem das Objektiv herausfuhr, wurde vom Sturm übertönt. Er hielt sie sich vor das Gesicht. Als er den Wolf so nah es ging herangezoomt hatte, drückte er auf den Auslöser. Es blitzte. Der Wolf zuckte zusammen und duckte sich erschrocken zum Sprung.

VII.
     
    Als Hannes erwachte, lärmten die Stare vor dem Fenster. Er hatte zehn Stunden geschlafen, aber er fühlte sich dennoch nicht frisch. Er sah auch nicht so aus. Die Augen waren geschwollen und rot. Da kann man es deutlich sehen, dachte er: Ein Abend ohne Alkohol, und schon ist das smarte Aussehen dahin.
    Er kochte sich Kaffee und fand dabei, daß sich der Sonntagmorgen auch ohne Barbara gut ertragen ließ. Er griff zum Telefon und wählte Klaras geheime Handynummer. Eine neutrale Stimme teilte ihm mit, der Teilnehmer sei im Moment nicht erreichbar. Er rief Robin an, der sich verschlafen meldete. Nein, er hatte nichts von Klara gehört, das sei auch nicht abgesprochen worden, sagte er und legte unwillig brummend wieder auf.
    Hannes trank seinen Kaffee. Sicherlich kampierte sie nur in irgendeinem schroffen Tal, in das kaum ein Sonnenstrahl und erst recht keine Funkwelle vordrang. Ja, so mußte es sein. Dennoch hatte er ein ungutes Gefühl. War das eine Alterserscheinung, diese ständigen Sorgen?
    Er aß ein angetrocknetes Vollkornbrot mit Margarine. Das mit der Haushaltsführung mußte er noch besser in den Griff bekommen. In Hamburg hatte es ja auch geklappt. Nur gab es da mehr Restaurants im Umkreis. Er wartete bis halb neun, dann hielt er es nicht länger aus, nahm erneut das Telefon und weckte die nächste Person.
    »Du?« krächzte Sabrina Reinecke ins Telefon. Aber dann schien sie wach zu sein und begann sich wortreich zu bedanken, bis Hannes sie unterbrach: »Hör schon auf! Ich habe dich vorgeschlagen, weil du gut bist, auf deine

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