Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
zur Zeit üblen Zoff zu Hause.«
Barbara zögerte. Was würde Hannes dazu sagen, wenn er heute abend kam? Bestimmt etwas wie: Mußt du alles aufsammeln, was dir über den Weg läuft?
Im Sommer hatte Barbara eine flügellahme junge Krähe im Garten gefunden, die sich als sehr undankbar erwiesen hatte, und im Winter darauf hatte sie einen Dackel von der Landstraße aufgelesen. Sein Foto hing damals in jedem Ladenfenster und an allen Laternenpfählen der umliegenden Orte, mit der Überschrift: Vermißt . Was Barbara erst nach zwei Wochen bemerkt hatte, als sie mit ihm durch den Wennigser Klostergarten spaziert, und der Dackel erkannt worden war. Er hörte auf den Namen Tarzan und gehörte einem Mitglied des Gemeinderats. Man bezichtigte Barbara der Hundeentführung und drohte mit Anzeige. Hannes mußte lange herumcharmieren und seinen Promi-Bonus in Anspruch nehmen, um die Gemüter wieder zu beruhigen.
Zwar fiel Nasrin in Barbaras Augen nicht unter dieselbe Kategorie, dennoch bereute sie jetzt, dem Mädchen das Gästehaus gezeigt zu haben. Das mußte ja wie eine Einladung rübergekommen sein. Nun konnte sie sehen, wie sie da wieder herauskam.
»Tja, weißt du …«
Das Telefon klingelte. Barbara begann hektisch nach dem Mobilteil zu suchen, wobei sie die Kaffeekanne umstieß. Nach dem fünften Klingeln nahm sie das Gespräch an der Feststation im Flur entgegen, während Nasrin den verschütteten Kaffee aufwischte. Bei der Kanne war der Henkel abgebrochen.
»Es tut mir leid, Babs, aber ich schaffe es heute nicht mehr. Irgendein Arschloch hat mir in der Tiefgarage Lack über die Windschutzscheibe gegossen. Es wird wohl Donnerstag werden, bis ich wieder hier rauskomme.«
»Lack? Was für Lack?«
Hannes zog es vor, nicht zu sehr ins Detail zu gehen. Die Tatsache, daß es sich um Nagellack handelte, würde Barbara womöglich Anlaß zu unerwünschten Rückschlüssen geben.
»Rote Farbe. Es hat auf den ersten Blick wie Blut ausgesehen.«
»Wie scheußlich. Gott sei Dank war es nur Farbe.«
»Das sehe ich anders. Blut wäscht sich runter. Jetzt muß die ganze Motorhaube gereinigt und neu lackiert werden.«
»Wer macht so was?«
»Eine Autolackiererei.«
»Ich meine, wer tut dir so etwas an?«
»Wenn ich das wüßte. Ich muß es der Polizei melden, wegen der Vollkasko. Hoffentlich erfährt die Presse nichts davon.«
»Wie kann so etwas passieren? Das Gelände wird doch bewacht!«
»Wenn du diesen alten, versoffenen Pförtner meinst … der würde es noch nicht einmal mitkriegen, wenn ihm jemand die Hosen klaut.«
»Armer Schatz. Ich habe mir gerade die Sendung angesehen. Die mit den besoffenen türkischen Jugendlichen und dem geklauten Auto. Du warst wunderbar! Aber ich hätte sie ordentlich verdonnert, du bist immer viel zu nachsichtig.«
»Und, was gibt es bei dir Neues?« fragte Hannes, der keine Lust auf juristische Fachsimpeleien mit Barbara hatte.
»Heute morgen hat der Typ vom Kundendienst endlich die Spülmaschine repariert.«
»Schön. Und sonst?«
»Sonst ist nichts.«
»Das ist beruhigend«, sagte Hannes, der eher an Schadensmeldungen gewohnt war. Barbara gab sich zwar Mühe, den Haushalt in den Griff zu bekommen, aber es verging kaum eine Woche, in der nicht irgend etwas kaputtging. So wie bei manchen Menschen sämtliche Pflanzen eingingen, hatte Barbara ein gestörtes Verhältnis zu elektrischen und mechanischen Geräten.
Sie tauschten Liebesbeteuerungen und schmatzende Küßchen aus, dann legte Barbara auf. An dem kleinen Tresen, der den Küchenbereich vom Wohnraum trennte, blieb Barbara verblüfft stehen. Nasrin hatte in der kurzen Zeit nicht nur das Geschirr verschwinden lassen, sondern auch die Spüle blankgewischt, die Kuchenkrümel vom Fußboden aufgefegt und alles Herumstehende an einen sinnvollen Platz gestellt.
»Wie hast du das bloß so schnell hingekriegt?«
Sie zuckte die Achseln. Die Frage von vorhin stand immer noch im Raum wie ein Elefant.
»Ich könnte alles gründlich saubermachen, das ganze Haus. Ich kann auch gut kochen. Ich würde dir nicht zur Last fallen, ich mache mich ganz bestimmt nützlich, mir ist keine Arbeit zuviel.«
Ihre Worte brachten Barbara in Verlegenheit. Sie hob abwehrend die Hände. »Also, nein. Wenn, dann würde ich dich als Gast sehen, nicht als Köchin oder Putzfrau.«
»Das heißt, ich darf bleiben?« Nasrin strahlte.
Jetzt war es schier unmöglich geworden, nein zu sagen.
»Und deine Eltern?«
»Ich bin volljährig.« Nach allem, was
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