Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
zubereiten?«
»Den Rücken«, antwortete Nasrin.
»Dann nimm ihn mit rüber, und der Rest kommt in die Tiefkühltruhe.«
»Wo ist die?«
»Nebenan. Aber ich wasche die Teile erst in der Küche ab und packe sie in Plastiktüten.«
»Du meinst den Raum mit den vielen leeren Pappkartons?«
»Ja«, knurrte Klara. »Der meiste Müll ist von Robin.« Sie nahm die Schüssel und rief Merlin zu sich.
»Danke«, sagte Nasrin auf der Treppe.
»Ich habe zu danken, für die Hilfe«, entgegnete Klara gestelzt.
»Du hast mir was beigebracht.« Nasrin trug die Schüssel wie eine Reliquie vor sich her. »Bisher kannte ich von Finnland nur Pisa und Nokia. Es wird ein köstliches Essen werden, das verspreche ich.«
»Nasrin?« rief ihr Klara hinterher.
»Ja?«
»Was willst du mal werden?«
»Köchin.«
Sie saßen um den großen Holztisch, vor ihnen strahlend weißes Geschirr. Ein Tischtuch gab es nicht, dafür aber grüne Stoffservietten und an jedem Platz ein kleines, mit grüner Serviette ausgeschlagenes Tongefäß, aus dem ein paar Gänseblümchen wuchsen. Nasrin hatte sie in Robins und Klaras Garten zwischen Hecke und Zaun gefunden, und Robin hatte ihr erlaubt, ein paar davon auszugraben. In der Mitte des Tisches stand ein silberner Kerzenhalter mit weißen Kerzen, den Robin aus seinem Fundus beigesteuert hatte, genau wie das Silberbesteck. Er hatte es eigenhändig poliert, nachdem ihm Nasrin gezeigt hatte, wie man es machte. Die Tafel wirkte festlich und gemütlich zugleich. Es duftete nach gebratenem Wild und nach Gewürzen.
Nasrin hatte zuerst nicht am Essen teilnehmen wollen, sie wollte nur kochen, aber unter diesen Umständen weigerten sich die anderen drei, überhaupt etwas zu essen. Also standen nun vier Gedecke auf dem Tisch, und Klara öffnete zur Vorspeise eine Flasche rosa Champagner, der aus Hannes’ wohlsortiertem Weinkeller stammte. Der Weinkeller befand sich unter Robins und Klaras Haus, neben der Wildkammer, da die Unterkellerung der Scheune das Budget gesprengt hätte. »Natürlich habt ihr freien Zugang«, hatte Hannes seinerzeit großzügig angeboten.
Klara schenkte die Gläser voll. Draußen tobte seit dem späten Nachmittag ein Frühjahrssturm. Ein Regenschauer prasselte gegen die große Scheibe der Scheune, was es drin noch gemütlicher machte.
»Schade, daß Hannes nicht da ist«, sagte Robin.
»Ja«, seufzte Barbara. Sie hatte am Nachmittag mit ihm telefoniert. Er war in Weltuntergangsstimmung gewesen, wegen eines Zeitungsartikels. Barbara hatte nur die Hälfte verstanden, aber es ging irgendwie um Ausländer und seine früheren Urteile. Sie war froh, daß Nasrin morgen wieder abreisen würde. Obwohl sie ihre Gesellschaft angenehm fand, wenn man von ihrem Ordnungsfimmel einmal absah – der aber wiederum auch sein Gutes hatte. Noch nie war das Haus so aufgeräumt und sauber gewesen. Wie hatte sie das nur geschafft, an einem Tag? Und auch noch das ganze Menü vorbereitet. Sie hatte eine lange Einkaufsliste geschrieben, die Robin brav abgearbeitet hatte, nachdem er sich erst gesträubt hatte: »Warum fährst du nicht selbst?«
»Ich muß mich unbedingt um den kaputten Videorecorder kümmern.«
»Und Nasrin, warum läßt du sie nicht allein fahren?«
»Sie sagt, sie hat keinen Führerschein.«
»Frühlingssalat mit warmem Ziegenkäse«, verkündete Nasrin und balancierte vier Teller auf einmal an den Tisch. Die Käsescheiben ruhten auf dem Salatbett, es sah aus, als hätte Nasrin Blatt für Blatt sorgfältig arrangiert. Vermutlich hat sie das tatsächlich, dachte Barbara.
Nasrin trug Sandaletten und ein langes Kleid mit langen Ärmeln, beides von Barbara. Das Ethnomuster in Orange und Türkis hatte Barbara stets käsig aussehen lassen, aber Nasrin stand es, als sei der Stoff für sie gemacht worden. Sie legte noch rasch die weiße Küchenschürze ab, die sie über dem Kleid trug, dann setzte sie sich. Ihre blaßen Wangen waren vom Kochen leicht gerötet, das Haar war bis auf eine einzelne baumelnde Locke zu einer üppigen Rolle am Hinterkopf zusammengesteckt.
Robin übernahm die Rolle des Hausherrn – oder des Gutsherrn – und erhob sich, um einen Trinkspruch auszubringen.
»Auf uns.« Klara verdrehte die Augen. Und so was hielt sich für kreativ.
Da niemand so recht wußte, womit man die Unterhaltung beginnen sollte, lobte man die Speise und fragte Nasrin nach den Details des Rezeptes. Dijon-Senf, Eigelb, weißer Balsamico, Thymian und Rosmarin, alles möglichst frisch. Als das
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