Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
Vom Netzwerk:
Fleisch.«
    »Wie Hitler«, sagte Nasrin.
    Barbara und Robin tauschten einen sehr erstaunten Blick.
    »Hitler«, wiederholte Nasrin, als könnten die beiden sich gerade nicht an den Namen erinnern. »Der war auch Vegetarier. Und Fan von Schäferhunden.«
    Barbara kicherte unsicher, aber Robin lachte aus vollem Hals. Das würde er Klara demnächst unter die Nase reiben! Warum war ihm dieser Vergleich bisher nicht eingefallen?
    »Bist du sicher, daß Klara kein Fleisch ißt?« fragte Nasrin, als Robin gegangen war.
    »Warum?« fragte Barbara zurück.
    »Ich dachte, ich hätte sie heute morgen gesehen, wie sie ein totes Reh über die Außentreppe in den Keller getragen hat.«
    Eine Kellerleuchte warf kaltes Licht auf die Backsteinwände, der Boden bestand aus festem Lehm. Der Raum war leer bis auf eine grobe Werkbank. An der Decke befand sich ein Gebilde mit vielen Haken, das an einen Kronleuchter erinnerte, es handelte sich jedoch um eine alte Fleischerkrone. An zwei Haken hing der Rehbock an seinen Hinterläufen, kopflos und mit zur Hälfte abgezogener Haut. Die leere Bauchhöhle wurde von einem Stock auseinandergehalten. Auf der Werkbank lagen diverse Messer und eine elektrische Säge. Es gab Eimer und Plastikschüsseln, in einer lag der Rehkopf. Dicht neben dem Reh saß der weiße Hund, und sein Blick war so gierig, als hätte er seine letzte Mahlzeit als Welpe zu sich genommen.
    »Hallo!«
    Klara wandte sich um. Sie hielt ein Messer mit einem Horngriff in der Hand, ihre Hände waren blutverschmiert.
    »Hei.«
    »Kann ich dir helfen?« fragte Nasrin.
    »Hast du schon mal ein Reh zerlegt?«
    »Nein. Ist es schwierig?«
    »Komm her. Ich zeig’s dir.« Klara drückte Nasrin das Messer in die Hand. »Nur kleine Schnitte, wenn du kräftig ziehst, geht es fast wie von selbst.«
    Nasrin riß mit dem Messer an dem Tierfell, das Reh geriet ins Trudeln.
    »Nein, warte. Ich halte, du schneidest.« Klara fixierte das Reh an den Vorderläufen. Eine Weile arbeitete Nasrin stumm, dann lag das Fell – oder die »Decke«, wie Klara dazu sagte – am Boden.
    »Das ist für die Hunde, zum Spielen«, sagte Klara und legte das Fell beiseite. »Jetzt die Vorderläufe. Schau her. Du ziehst sie auseinander, so daß sich das Schulterblatt von der Wirbelsäule löst. Dadurch entsteht eine Luftschicht. Dort schneidest du. Siehst du, so. Das ist ganz leicht, dazu muß man nicht mal einen Knochen durchtrennen.«
    Klara löste eine Schulter fachgerecht vom Körper. »Jetzt du.«
    Nasrin nahm das Messer und löste die andere Schulter aus.
    »Wie ist eigentlich Finnland?« fragte Nasrin, während sie geschickt mit dem Messer hantierte.
    »Es hält weltweit die Spitzenposition in Selbstmorden«, antwortete Klara.
    »Und sonst?«
    »Man hat Platz.«
    Für zwei Minuten herrschte finnisches Schweigen, während Nasrin mit der Rehschulter kämpfte.
    »Die Höfe liegen über mehrere Kilometer Abstand hinweg in der Gegend verstreut. Man fühlt sich schon beengt, wenn der nächste Nachbar näher als fünf Kilometer wohnt. Dörfer wie bei uns hier gibt es so gut wie nicht. Ein Dorf besteht aus Kirche, Supermarkt, Schule, Tankstelle.«
    »Klingt einsam.«
    »Nein. Man rückt sich bloß nicht auf die Pelle, höchstens in der Sauna. Es ist auch unüblich, sich zur Begrüßung die Hand zu schütteln, und mit irgendwelchem Bussi-Bussi-Getue schlägst du jeden Finnen in die Flucht. Man sagt Hei . Das reicht. Auch wenn man sich lange nicht gesehen hat.«
    »Ich verstehe«, sagte Nasrin. Sie hatte die Schulter ausgelöst und legte sie auf die Werkbank. »Wofür ist die Säge?«
    »Die brauchen wir jetzt. Du hältst und ich säge.« Nasrin hielt den Körper fest, während Klara den Brustkorb in der Mitte durchsägte. Knochensplitter rieselten zu Boden. Merlin winselte.
    »Ruhe«, befahl Klara. Der Hund verstummte und legte sich mit einem Seufzen hin.
    »Jetzt schneiden wir die Bauchlappen ab. Die kriegen später die Hunde. Nimm dir ein Messer.«
    Sie arbeiteten, jede auf einer Seite. Klara zeichnete mit dem Messer eine Schnittfläche vor. »Gib mir bitte noch mal die Säge, ich muß jetzt die Rippen im unteren Teil absägen«, sagte Klara. Sie setzte die Säge an und redete über das Geräusch hinweg: »Im Winter wird es dreißig Grad kalt in Finnland, oder auch vierzig. Aber am kältesten wird es in Mittelfinnland, in Kuusamo, südlich des Polarkreises an der russischen Grenze. Mein Vater lebt inzwischen dort, und ich war auch schon zwei Winter da. Früher haben

Weitere Kostenlose Bücher