Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
keinen Hunger«, sagte Klara. Dann sah sie Barbara ernst an. »Ich möchte dich mal was fragen, aber flipp bitte nicht gleich aus.«
»Was denn?« fragte Barbara.
»Bist du dir vollkommen sicher, daß uns das Mädchen die Wahrheit erzählt hat?«
Barbara ließ ein paar Sekunden verstreichen, ehe sie sagte: »Nicht ganz.«
»Aha«, sagte Klara und wartete ab, aber Barbara sagte nur noch: »Nachher gehe ich zum Friseur. Nach Linden. Ruf mich an, wenn Robin wieder auftaucht.«
»Herr Frenzen? Hier spricht Mia Karpounis.« Die Stimme, die aus der Freisprechanlage drang, klang warm und dunkel mit einem Schuß Melancholie.
»Ich höre, Sie sind unterwegs. Sind Sie allein?«
»Allerdings.«
Frau Karpounis erklärte ihm zunächst, daß die Artikel, die sie über ihn geschrieben hatte, nur aus Interesse an der Sache entstanden waren und sie keinesfalls irgendwelche Ressentiments gegen Johannes Frenzen als Person hege.
»Freut mich«, entgegnete Hannes in sehr abweisendem Ton. Er ging vom Gas und verließ den Zweihunderterbereich.
»Vielleicht könnte ich etwas wiedergutmachen«, wagte sich die Journalistin vor.
»Das bezweifle ich«, sagte Hannes kalt.
»Sie sollen ein Mädchen, ein türkisches Mädchen, das von ihrer Familie verfolgt wird, bei sich aufgenommen haben.«
»Wer sagt das?« Hannes wechselte von der Überholspur auf die mittlere. Bei entspannten Hundertsechzig konzentrierte er sich nun lieber auf das Gespräch.
»Sie werden verstehen, daß ich meine Informanten prinzipiell nicht preisgebe.«
»Ihr Informant, wer immer es sein mag, erzählt blanken Unsinn.«
»Ich würde die Geschichte dem Stern anbieten, der eignet sich am besten für human touch . Das wäre die Titelstory: Richter Frenzen rettet junge Türkin. «
»Unfug.«
»Begreifen Sie nicht, was für ein Potential das hat? Alle Ihre Fans, die in letzter Zeit verunsichert waren, würden sagen: ›Hey, ich wußte es immer, daß er ein guter Kerl ist.‹ Sie wären auf einen Schlag Ihren – sagen wir – momentan etwas zweifelhaften Ruf los.«
Raffiniertes, scheinheiliges Luder, dachte Hannes amüsiert.
»Selbst wenn es so wäre«, zierte sich Hannes, »das Mädchen wäre in Lebensgefahr, wenn ihr Foto erst einmal in ganz Deutschland zu sehen wäre. Und das nur, um meinen Ruf zu retten? Würde dieser Schuß nicht nach hinten losgehen?«
»Das Mädchen müßte natürlich vor Erscheinen des Artikels woanders untergebracht werden«, räumte die Journalistin ein. »Und was die Geschichte angeht: Wir würden irgendein Foto nehmen und ansonsten nur Zeugen zitieren, nicht Sie selbst. Sie können sich in vornehmes Schweigen hüllen, wie ein wahrer Held. Gut wäre nur, wenn ein paar Leute das Gerücht bestätigen könnten, und das ist ja wohl anscheinend der Fall.«
»Ich muß darüber nachdenken«, sagte Hannes. »Rufen Sie mich heute abend noch einmal an.«
Er wünschte der Journalistin noch einen schönen Tag und erlaubte sich ein Lächeln.
»Wo warst du, verdammt noch mal?«
»Sieht man das nicht?«
Arnes Pickup war bepackt mit Farbeimern, der dazugehörigen Malerausrüstung und einem überdimensionalen Ikea-Karton.
»Was ist da drin?« fragte Klara, neugierig geworden.
»Ein neues Bett.«
»Du hättest mich mitnehmen können.«
»Hätte ich«, sagte Robin.
»Ich habe mir Sorgen gemacht.«
»Tut mir leid. Du kannst mir rauftragen helfen«, sagte er gönnerhaft.
Sie trugen die Sachen nach oben.
»Ich werde alles neu streichen«, verkündete Robin, als sie zwischen den Eimern und Kartons standen.
»Das dachte ich mir schon«, sagte Klara angesichts der Farbeimer. »Kann ich dir helfen?«
»Geht schon.«
»Ikeasachen aufbauen kann einen ganz schön schlauchen«, sagte Klara. Sie hätte ihm gerne geholfen.
Robin ging zu seinem Schreibtisch und hielt ihr einen Stapel ledergebundener Bücher entgegen. »Die Tagebücher meiner Mutter.«
»Steht da drin, wie man Ikeamöbel zusammenschraubt?« versuchte sie einen matten Scherz.
»Nein, da steht drin, wann sie wo zum Wandern waren und zum Skilaufen, wie das Wetter war, und ob es ihr gelungen ist, mich zu Oma Sültemeier oder Oma Seidler abzuschieben. Immerhin hat sie meine Einschulung und das Abitur vermerkt. Ach ja, und die Masern. Weil sie dadurch einen Bergurlaub im Grödnertal versäumt hat.«
»Vielleicht gab es noch ein anderes Tagebuch, ich meine, für die persönlichen Dinge«, sagte Klara.
»Nein.«
»Vielleicht war es ihr peinlich, Tagebuch zu führen. Ich denke, über
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