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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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aufgeschnappt hatte. Aber sie hatte mit der Zeit ein Gehör für den Klang entwickelt. Was Nasrin geflucht hatte, als ihr am Karfreitag ein Schollenfilet beim Wenden in der Pfanne zerfallen war, hatte sich nicht türkisch angehört.
    Ab und zu sahen sich Barbara und Nasrin gemeinsam einen Film an, aber wenn Hannes im Haus war oder das Programm nichts Interessantes zu bieten hatte, zog sich Nasrin kurz nach dem Abendessen zurück. Das Gästehäuschen besaß keine Fenster- oder Rolläden, nur die blaukarierten Vorhänge, die beim rechten Fenster immer einen Spalt offenstanden, denn Barbara war beim Maßnehmen für die Gardinen entgangen, daß das rechte Fenster breiter war als das andere. Wenn Barbara vor dem Zubettgehen auf den Hof ging und versuchte den Kater hereinzulocken, konnte sie durch den Spalt ins Zimmer sehen. Meist lief drinnen der Fernseher, während Nasrin auf dem Bett lag und las. Die Bücher lieh sie sich von Barbara, die Kriminalromane sammelte, und von Klara: Bildbände über Finnland, und sie brachte sie stets in tadellosem Zustand zurück. Oft saß sie aber auch nur vor dem Kamin am Boden und starrte ins Feuer.
    Den Vorsatz, sich in Linden umzuhören, hatte Barbara jedenfalls schon vor ein paar Tagen gefaßt, dazu hatte sie nicht erst Klaras Anstoß gebraucht. Sie trank ihren Kaffee aus, zahlte und machte sich auf zum Friseur.
    Der Salon verfügte über vier Plätze und wurde von der Inhaberin und einer Aushilfe betrieben. Schon von draußen sah Barbara Nasrins Mutter, die einer Kundin die Haare aufdrehte. Sie war im Gegensatz zu ihrer Tochter klein und stämmig, mit runden Wangen, ein altersloses Gesicht mit sehr dunklen Augen, die eine Spur zu stark geschminkt waren. Unter der Schürze trug sie ein elegantes, schwarzes Kleid zu hohen Schuhen. Von der Inhaberin des Salons war nichts zu sehen. Barbara überkam plötzlich Angst. Eine Art Lampenfieber. Was, wenn sie einen Fehler machte und damit Nasrin in Gefahr brachte? Barbara hatte bei der Terminabsprache ausdrücklich nach Frau Dilmac verlangt. War das nicht schon verdächtig genug? Wer verlangte schon ausdrücklich nach der Aushilfe?
    Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich.
    Frau Dilmac erkannte Barbara sofort wieder. Auf die Frage, wo sie denn jetzt wohne und arbeite, antwortete Barbara vage: »Auf dem Land.«
    Frau Dilmac stülpte ihr eine Plastikhaube über, die sie am Kinn zusammenband. Dann bohrte sie mit einer Häkelnadel Löcher in die Folie und zog Strähne für Strähne heraus. Eine unangenehme Prozedur, aber, wie Frau Dilmac behauptete, die einzige Möglichkeit, feine, natürlich aussehende Strähnen zu bekommen. Auch sie sprach ausgezeichnet Deutsch, allerdings mit Akzent. Manchmal brauchte sie ein paar Sekunden, um nach dem richtigen Wort zu suchen. Barbara lenkte das Gespräch auf den jüngsten Sohn Nail, den sie seinerzeit in ihrer Gruppe gehabt hatte. Es war, als hätte man ein Faß angestochen. Während sie Barbara die Kopfhaut malträtierte, erfuhr diese alles zum Thema »der kleine Nail in der Schule«. Sie war dankbar, als die Mutter des Knaben ihr Haar mit einer stinkigen blauen Paste eingepinselt hatte und sie mit einer Klatschzeitung unter ein mächtiges Heizgerät setzte. Über ihre Zeitschrift hinweg beobachtete Barbara Frau Dilmac, wie sie der anderen Kundin, einer älteren Dame, die Wickler aus dem Haar rollte und es in die gewünschte Form brachte. Einmal in Fahrt, mußte auch sie sich ein paar Anekdoten der stolzen Mutter über ihren Nail anhören.
    War diese Frau fähig, ihre Tochter zu verschachern wie eine Kuh? Galt ihre Mutterliebe womöglich nur den Söhnen? Oder hatte nur ihr Mann das Sagen in der Familie? Hier, im Laden, wirkte sie jedenfalls nicht wie jemand, der sich leicht gängeln ließ. Mit heißen Ohren versuchte Barbara möglichst viel von dem Gespräch zu erlauschen. Immer tiefer sackte sie in den Sitz, um dem lästigen Schnurren des Haartrockners zu entgehen, und streckte dabei den Kopf wie eine Schildkröte nach vorn.
    » … nehmen heute nur noch Leute mit Abitur.«
    »Auch für den mittleren Dienst?«
    »Ach, den gibt es nicht mehr. Nein, man muß das Fachabitur haben, mindestens. Er kann das aber auch an der Polizeischule machen. Dauert dann fünf Jahre, die ganze Ausbildung.«
    »Fünf Jahre?« wiederholte die Kundin respektvoll.
    »Ja. Aber er will unbedingt. Er hat ein Praktikum gemacht, es hat ihm gut gefallen. Und warum nicht? Polizei ist krisensicher. Verbrecher gibt es immer.«
    »Möchte Ihr

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