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Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11

Titel: Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sie wieder, strich mit den Fingern über das Muffin, nahm dann ihren Hut und tastete über dessen Rand.
    »Ich erzähle dir das, weil ich es für richtig halte. Aber zugleich halte ich es auch für falsch.«
    Ich nickte.
    »Ich habe sie einmal zusammen gesehen, nach der Sitzung des Verwaltungsrates. Es war spätabends, ich habe die Zimmer für ein paar Möbel ausgemessen und gedacht, alle anderen wären schon nach Hause. Aber als ich zum Parkplatz kam, stand Mikes Wagen noch immer da, am hinteren Ende. War leicht zu erkennen - er fährt nämlich einen Bentley. Er und Hope standen daneben und unterhielten sich. Ihr Auto
stand neben seinem - ein kleiner roter Flitzer. Sie haben sich nicht umarmt oder so, aber sie standen sich ganz nah gegenüber. Sehr nah. Ihre Gesichter berührten sich fast. Als ob sie sich küssen wollten oder gerade geküsst hatten. Als sie mich kommen hörten, haben sie sich beide sehr rasch abgewandt. Sie ist zu ihrem Wagen geeilt und losgefahren. Mike blieb noch einen Moment ganz entspannt stehen. Fast so, als wollte er, dass ich sehe, wie entspannt er doch war. Dann hat er mir zugewinkt und ist in seinen Bentley gestiegen.«
    Ihr Gesicht zuckte. »Bringt nicht viel, was? Und bitte, wenn du Mike oder sonst jemanden befragst, halte meinen Namen raus, ja?«
    »Versprochen«, sagte ich. »Nachdem Hope ihre Mitarbeit eingestellt hatte, waren da vielleicht einige sauer auf Mike, weil er sie vorgeschlagen hatte?«
    »Falls ja, habe ich nichts davon mitbekommen.Wie gesagt, Mike ist unser verlässlichster freiwilliger Arzt.«
    »Wie häufig behandelt er dort Patientinnen?«
    »Über die Terminplanung weiß ich nichts, aber ich weiß, er arbeitet schon seit Jahren dort.<
    »Als Gynäkologe?«
    Sie sagte abwehrend: »Ich nehm’s an.«
    »Abtreibungen?«
    »Ich weiß es nicht.« Ihre Stimme war lauter geworden. »Und wenn, was soll’s?«
    »Die Abtreibungsfrage ruft mitunter gewalttätige Reaktionen hervor.«
    »Aber nicht Mike ist ermordet worden, sondern Hope. Ich habe wirklich keine Lust mehr, darüber zu reden.« Sie stand auf. »Wirklich nicht.«
    »Versteh’ ich.Tut mir leid, wenn ich dich verstimmt habe.«
    »Ist schon gut«, erwiderte sie. »Aber bitte. Ich flehe dich an. Zieh uns nicht in diese Abtreibungssache rein. Bis jetzt sind
wir allen Problemen aus dem Weg gegangen, aber wenn das an die Presse gerät …«
    »Ehrenwort«, sagte ich.
    Sie lachte. »Mann, ihr habt mich in eine blöde Situation gebracht. Als Ruth anrief, dachte ich, du wolltest dich als Mitarbeiter anbieten, also habe ich gleich mit der Leiterin darüber gesprochen und einen Termin für dich vereinbart. Der ist in einer halben Stunde. Und jetzt muss ich sie anrufen und wieder absagen.«
    »Aber ich würde gern mit ihr sprechen.«
    »Ich kann dich wohl nicht daran hindern, was?«
    »Ich bin nicht der Feind, Holly.«
    Sie sah mich prüfend an. »Warte mal.«
    Sie ging durch eine Tür im hinteren Teil des Cafés. Jake war mit seinen Bohnen fertig und konzentrierte sich jetzt darauf, mich finster anzustarren. Dann kam Holly zurück.
    »Sie ist nicht gerade begeistert, aber sie ist bereit, kurz mit dir zu sprechen. Marge Kowalsky. Mach dir aber keine großen Hoffnungen, viel über Hope zu erfahren.«
    »Danke«, sagte ich. »Und noch mal: Es tut mir leid.«
    »Schon gut«, sagte sie. »Ich bin sicher, du bist nicht der Feind, dafür ist Ruth viel zu clever.«

14
    Das Frauengesundheitszentrum lag in einer öden Gegend: Fabriken, Schrottplätze, Lagerhallen; dazwischen eine teure Privatschule, die ihr Grundstück mit eingetopften Ficus-Pflanzen markiert hatte, um so zu tun, als befände sie sich woanders.
    Das Zentrum selbst war ein schmuckloser brauner Flachbau am Rande eines Parkplatzes, der mit Eisenpfosten abgegrenzt
war. Die Eingangstür war verschlossen. Ich schellte und nannte meinen Namen. Kurz darauf wurde ich eingelassen.
    Im Wartezimmer saßen drei Frauen, und keine von ihnen blickte auf. Hinten war eine hölzerne Schwingtür mit kleinen Fenstern drin. An den Wänden hingen Plakate mit Informationen zu Aids, Brustkrebsvorsorge, gesunder Ernährung und Selbsthilfegruppen für misshandelte Frauen.
    Eine Tür ging auf, und eine wuchtige, bebrillte Frau Anfang sechzig steckte den Kopf ins Zimmer. Sie hatte kurzes, graues, lockiges Haar und ein rundes, rosiges Gesicht, das jedoch nicht fröhlich wirkte. Sie trug einen dunkelgrünen Pullover, Bluejeans und Turnschuhe.
    »Dr. Delaware? Ich bin Marge«, trompetete sie.

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