Wölfe und Schafe - Ein Alex-Delaware-Roman 11
verzweifelt.«<
Sie biss so hart auf das Mundstück, dass der Pfeifenkopf nach oben schnellte.
»Geldmangel«, sagte ich.
»Wir sitzen in der Klemme wie in einem Schraubstock.« Sie nahm die Pfeife aus dem Mund und deutete damit auf mich. »Nun, wie ist es denn so, mit Milo Sturgis zu arbeiten? Ich habe mir nur deshalb Zeit für Sie genommen, weil ich Sie danach fragen wollte.«
»Sie kennen ihn?«
»Habe von ihm gehört.Von Ihnen übrigens auch - der Hetero-Doktor, der mit ihm durch die Gegend zieht. Er ist eine Berühmtheit.«
»In der Schwulenszene?«
»Nein, in den Country Clubs von Los Angeles. Was dachten Sie denn?« Ihre Augen funkelten. »Wissen Sie, manche Leute sind ja der Ansicht, Sie sollten sich endlich selbst reinen Wein einschenken. Wenn Sie nämlich tatsächlich so ein guter Psychologe wären, müssten Sie erkennen, dass Sie in ihn verliebt sind.«
Ich lächelte.
»Heh, Mona Lisa gibt’s schon.« Sie lächelte zurück, um den Pfeifenstiel herum, und sah dabei seltsamerweise wie Teddy Roosevelt aus. »Also, verraten Sie’s mir. Wieso engagiert er sich nie?«
»Für was?«
»Für die Sache der Schwulen und Lesben. Er könnte sein Image öffentlich nutzen.«
»Das müssen Sie ihn leider selbst fragen.«
»Aha, ein wunder Punkt! Na ja, er sollte es tun. Ein schwuler Cop, der sich über alle Schranken hinwegsetzt.Wie er dem Department vor fünf Jahren gezeigt hat, wo’s langgeht! Alle
Achtung. Bricht dem Lieutenant den Unterkiefer, weil der ihn Tunte genannt hat.« Sie kaute zufrieden auf ihrer Pfeife. »In gewissen Bars reden die Leute heute noch davon.«
»InteressanteVerdrehung«, sagte ich.
»Haben Sie es anders gehört?«
»Er hat dem Lieutenant den Unterkiefer gebrochen, weil der sein Leben bedrohte.«
»Nun gut«, sagte sie, ist wohl auch ein guter Grund. Aber wieso hat er kein soziales Bewusstsein? Er macht nie bei irgendwelchen Demos mit, schließt sich keiner Gruppe an. Und dasselbe gilt für seinen Freund, diesen Arzt. Solche Prachtkerle wie die beiden könnten einiges bewirken.«
»Vielleicht meint er ja, er würde das schon tun.«
Sie musterte mich von oben bis unten. »Sind Sie bisexuell?«
»Nein.«
»Was haben Sie dann mit ihm zu tun?«
»Wir sind Freunde.«
» Nur Freunde, was?« Sie lachte.
»Wie Hope und Cruvic?«
Ihr Lachen erstarb.
»Ich verstehe Ihren Wunsch nach Diskretion«, sagte ich, »aber in einem Mordfall wird nun mal alles untersucht.«
»Dann besorgen Sie sich eine richterliche Verfügung! Mal angenommen, sie hätten es dreimal täglich auf seinem Schreibtisch miteinander getrieben, was dann? Und ich sage nicht, sie hätten das getan. Wen interessiert’s? Mike hat sie nicht umgebracht, also wen kümmert’s, wer mit wem rummacht? Sie ist ermordet worden, weil sie berühmt war und irgendein Schwein bis zur Weißglut gereizt hat.«
»Irgendeine Vorstellung, wer das Schwein sein könnte?«
»Davon gibt’s zu viele da draußen. Ich wiederhole: Sie hat hier kaum etwas gemacht. Es tut mir leid um jede Frau, die
ermordet wird, aber es gibt nichts, was ich Ihnen über diese Frau erzählen könnte.«
Sie stand schwerfällig auf und begab sich um den Schreibtisch herum zur Tür.
»Grüßen Sie unsere Berühmtheit von mir. Sagen Sie ihm, ganz gleich, was er für seine Vorgesetzten auch tut, für die bleibt er immer die Schwuchtel.«
Als ich das Wartezimmer durchquerte, saß nur noch die Mutter der kleinen Blonden da. Sie sah kurz von ihrer Zeitschrift auf, als ich an ihr vorüberging.
Ich war schon an meinem Wagen angekommen, als ich sie auf mich zulaufen sah. Klein und schlank, mit hoher Taille und untersetztem Oberkörper. Ihre Unterlippe war dünn, das obere Gegenstück dazu praktisch nicht vorhanden. Sie trug babyblaue Jeans, eine weiße Bluse und fleischfarbene Sportschuhe.
»Die Schwester hat mir erzählt, dass Sie Psychiater sind, stimmt das?«
»Psychologe.«
»Ich dachte bloß …«
Ich lächelte. »Ja?«
Sie kam näher, aber vorsichtig, wie man sich einem fremden Hund nähert.
»Ich bin Dr. Delaware«, sagte ich und hielt ihr meine Hand hin.
Sie warf einen Blick nach hinten zum Zentrum. Eine Cessna flog mit lautem Dröhnen niedrig über uns hinweg, und als das Geräusch verklang, sagte sie: »Ich dachte bloß - werden Sie vielleicht hier arbeiten?«
»Nein.«
»Oh.« Enttäuschung. »Okay, entschuldigen Sie die Störung.«
Sie wandte sich zum Gehen.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, erkundigte ich mich.
Sie blieb
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