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Wofuer die Worte fehlen

Wofuer die Worte fehlen

Titel: Wofuer die Worte fehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
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und Tobias bleiben noch in der Slowakei. Sie werden erst in zwei Wochen zurückkommen.
    Kristian schaut aus dem Fenster. Bäume fliegen vorbei, Felder und Häuser. Er ist traurig und gleichzeitig wütend. Wütend vor allem auf die Mutter, deren einzige Sorge wieder einmal Oma Herta gilt. Dabei hatte sie doch nur einen leichten Schwächeanfall wegen der vielen Feierei. Wütend auf Katarina, weil er wegen ihr nun nicht auf
das
Ereignis des Jahres gehen kann: auf die größte Cosplay Convention des ganzen Landes, die nur alle zwei Jahre stattfindet.
    Er ist noch nie auf einer Convention gewesen, konnte seiner Mutter aber nicht klarmachen, dass es total harmlos ist, auch wenn alle Teilnehmer in schrill verrückten Kostümen auftreten, mit selbst gebauten Schwertern und anderem Zubehör. Als er ihr die Bilder von der Convention letztes Jahr im Internet gezeigt hat, hat sie entsetzt die Augen verdreht und geglaubt, die Jugendlichen müssten alle unter Drogen stehen, wenn sie so in der Öffentlichkeit auftreten. Jedenfalls darf er nur teilnehmen, wenn Katarina ihn begleitet. Aber die bleibt ja nun auch in der Slowakei.
    Â»Cosplay? Was ist das überhaupt? … Hey Kristian, ich rede mit dir!« Sein Vater, der ihm gegenübersitzt, langweilt sich und kann das traurige Gesicht seines Sohnes nicht mehr ertragen.
    Â»Costume Play heißt das. Da verkleidet man sich so wie die Figuren in den Mangas oder nur nach der Fantasie.«
    Kristian sieht weiter aus dem Fenster. Seine erklärenden Worte für den Vater braucht er nicht lange zu überlegen. Zu oft schon hat er unwissenden Erwachsenen erklären müssen, warum sich Jugendliche so schrill stylen, obwohl alles ganz harmlos ist. Einfach nur Fun.
    Â»Und was sind Man-gas?« Der Vater spricht das Wort aus, als handle es sich um eine gefährliche unbekannte Tierart.
    Â»Japanische Comics.«
    Â»Japanische? Du liebe Güte! Gibt’s denn bei uns keine mehr? In meiner Jugend hatten wir Donald Duck und Micky Maus. Sind die ausgestorben?«
    Â»Fast. Sie sind ziemlich out. Heute haben wir eben Mangas. Du hast mir doch Geld für die Stifte gegeben.« Er hält dem Vater seinen Übungsblock hin, auf dem er seine neuen Figuren erst einmal vorzeichnet, bevor er sie in seine Geschichten einbaut.
    Der Vater nimmt Kristian das Heft aus der Hand. Er blättert weiter, schüttelt den Kopf, blättert weiter, stutzt plötzlich.
    Â»Der hier gefällt mir am besten. Das andere ist mehr Kinderkram.« Er hält Kristian den Block hin. »Wer ist das?«
    Die dunkle Gestalt des Schwarzen Ritters schaut ihn grimmig an. Kristian hält die Luft an, hat ganz vergessen, dass auch der Ritter in seinem Übungsheft ist. Zum Glück ist dies noch nicht die Endfigur, der Körper des Schwarzen Ritters auf dem Übungsblock ist ganz in seinen schwarzen Umhang eingehüllt. Die tödliche Waffe ist nicht zu sehen. Der Block mit der kompletten Manga-Geschichte liegt im Koffer unter seiner Kleidung versteckt.
    Niemals darf der Vater sie sehen. Niemals!
    Â»Wer ist das?«, wiederholt der Vater.
    Â»Takumi, der Schwarze Ritter!«
    Â»Ein bisschen unheimlich, der Typ. Aber so waren sie wohl alle, die Ritter aus dem Mittelalter. Außen sahen sie schrecklich aus in ihren Rüstungen, aber im Herzen waren sie gut. Habt ihr darüber nichts in der Schule gehabt?«
    Kristian kann sich nicht erinnern.
    Â»Ritterliche Tugenden, die sind doch sprichwörtlich:Treue, Anständigkeit, Zuverlässigkeit. Ein Ritter hilft den Schwachen und ist vor allem ritterlich zu den Damen.«
    Â»Takumi kommt nicht aus dem Mittelalter und das Wort Tugend kennt er nicht …« Den Rest schluckt Kristian hinunter. Er ist der Herrscher der Nacht, hat er noch sagen wollen, aber das wäre vielleicht schon zu viel verraten von der wahren Identität des Schwarzen Ritters. Schnell blättert er weiter, zeigt dem Vater die anderen Figuren.
    Â»Mit Donald Duck haben die wirklich nichts mehr zu tun. Aber sie sind gut gezeichnet. Du solltest später mal was mit Design machen.«
    Â»Ich werde ein Mangaka.«
    Â»Ein was?«
    Â»So heißen die Zeichner in Japan. Unsere Lehrerin vom Malkurs ist eine berühmte Mangaka.«
    Â»Und damit kann man Geld verdienen?«
    Â»Wenn man gut ist, schon. Sogar ’ne Menge Geld.«
    Â»Von mir aus.« Der Vater gab Kristian seinen Zeichenblock zurück. »Ist ja im Grunde

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