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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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mit ihr in Crouch End. Sie kam drei Minuten zu spät. Ich trug wie vereinbart ein schwarzes Jackett, so wie viele andere Männer im Lokal, doch ich war der Einzige, der alleine am Tisch saß, also würde sie mich problemlos erkennen. Außerdem hatte ich ihr ein aktuelles Porträtfoto von mir geschickt.
    Sie war seit dem Griechenland-Foto ziemlich gealtert. Sie hatte zwar immer noch braunes Haar, das aber an den Wurzeln zwei Zentimeter Grau zeigte. Ihr Gesicht war blass, nicht gebräunt, und sie hatte Fältchen um Mund und Augen. Abgesehen davon sah sie nicht schlecht aus. Ich schüttelte ihr die Hand, als sie an meinen Tisch kam.
    »Also …«, sagte sie.
    »Soll ich dir einen Drink holen?«, fragte ich.
    »Gerne, einen trockenen Weißwein, bitte«, sagte sie.
    Ich ging zum Tresen und schob eine Zehnpfundnote rüber. Dafür bekam ich ein kleines Glas Wein und eine halbe Cola. Ich hätte mir gerne ein Pint und dann einen Whisky bestellt, aber nicht bei den Preisen hier. Außerdem musste ich noch Auto fahren, falls Justine mich danach zu sich einlud.
    Ich stellte ihr persönliche Fragen, vermied es aber, über ihre Schwester und deren bedauerlichen Tod zu reden, und fand heraus, dass sie alleine wohnte, in Teilzeit für eine Versicherung in einem Call Center arbeitete, jeden Dienstagabend einen Salsa-Kurs besuchte und seit sechs Monaten Single war. Sie hatte keine Haustiere und stand auf der Warteliste für die Zuteilung eines Schrebergartens. Und sie war Vegetarierin. Sie traf sich gerne mit neuen Leuten und war offen für eine Beziehung, falls der Richtige vorbeikäme, war aber nicht verzweifelt.
    Es war verblüffend einfach, jemanden dazu zu bringen, freiwillig so viele persönliche Informationen preiszugeben, ohne selbst etwas über sich zu verraten. Wenn sie mir eine Frage stellte, gab ich ihr eine vage Antwort und fragte dann gleich etwas zurück, hielt Augenkontakt, lächelte sie an und hörte ihr aufmerksam zu. Es dauerte keine Stunde, da beugte sie sich zu mir vor, spielte mit ihrem Haar und berührte mein Knie.
    Eine halbe Stunde danach gingen wir zu Fuß zu ihr nach Hause; sie wohnte nur ein paar Straßen weiter. Sie blieb vor einem Reihenhaus stehen und legte an ihrer Haustür unter meinem Jackett ihre Arme um meine Hüfte. Dieser plötzliche Körperkontakt schockierte mich, doch ich fing mich ziemlich schnell wieder, rückte näher an sie heran und spürte die Wärme ihres Körpers. Sie streckte ihr Gesicht zu mir empor; ich nahm an, dass sie geküsst werden wollte, was ich dann auch tat. Ihr Mund war trocken, ihr Atem roch nach Wein. Ich berührte ihre Wange, sie öffnete den Mund. Es war genau wie bei Helen. Ich schob sie ein wenig von mir. »Sollen wir reingehen?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht so recht«, sagte sie, sah mich an und legte ihren Kopf ein wenig zur Seite.
    »Was weißt du nicht?«
    »Du könntest ein Massenmörder sein«, sagte sie.
    Ich lachte laut, und sie drückte mich noch ein wenig fester an sich.
    Dann lächelte sie. »Für einen Serienkiller bist du viel zu süß«, sagte sie. Dann ließ sie mich los, öffnete die Tür, machte das Licht im Flur an und ließ die Tür offen stehen, sodass ich ihr folgen konnte.
    Justine hat mich mehr beeindruckt als alle anderen Frauen, sogar mehr als Eleanor. Sie gab sich mir so selbstverständlich hin, dass mir klar wurde, dass der Genuss nicht im Geben, sondern im Nehmen liegt. Hier ging es nicht um zwanglosen Sex, nicht um einen beliebigen Zeitvertreib, hier ging es um eine Lebenseinstellung. Eine Berufung.
    Wir hatten Sex in ihrem Schlafzimmer, im Dunklen. Ihr Körper war der eines Engels und der einer Hure: sauber, aber schlaff. Sie versuchte immer wieder, mich zu küssen, aber da ich jedes Mal an Helen denken musste, drehte ich meinen Kopf weg. Ich weiß noch, dass ich ein Kondom dabeihatte und froh war, dass sie es mir überzog. Danach ging alles ziemlich schnell. Ich lag neben ihr in der Dunkelheit und fühlte mich befriedigt und enttäuscht zugleich. Ich hatte so viel mehr erwartet. Ich hatte mir – ja, was eigentlich? – eine Verbindung erhofft.
    Als sie einen Arm über meinen Bauch legte und näher an mich heranrückte, rutschte ich von ihr weg und setzte mich mit den Händen zwischen den Knien an den Bettrand. Ich sah meinen Penis, der schlaff, erschöpft und höhnisch zwischen meinen Beinen baumelte.
    »Alles in Ordnung, Mark?«, fragte Justine hinter mir.
    »Ich muss gehen«, sagte ich.
    »Schon? Kannst du nicht noch ein wenig

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