Wofür du stirbst
mich warten musste. »Ich kann selbst fahren.«
Doch er beendete schnell sein Frühstück, und während ich meine Tasche holte und den Mantel anzog, hatte er sich geduscht, angezogen und stand mit dunklen, nassen Haaren vor der Tür. Er war so aufgeregt und enthusiastisch, dass ich schließlich nachgab und ihm hinaus zum Wagen folgte.
Zu meinem Erstaunen war das Büro nicht so leer wie am Freitagabend. Drei Schreibtische waren besetzt, Paul Moscrop saß im Glaswürfel in der Ecke. Alle telefonierten, ein weiteres Telefon klingelte auf irgendeinem Schreibtisch. Ich überlegte kurz, ob ich drangehen sollte, entschied mich aber dagegen. Ich glitt auf meinen Stuhl und fuhr meinen Computer hoch. Mich erwartete eine weitere Überraschung: die Verbindungsdaten der Handys, die Keith Topping angefordert und die der DCI mir weitergeleitet hatte.
Paul kam gerade aus dem Büro, als ich die Anhänge öffnete. »Ach! Annabel«, sagte er. »Schön, dich zu sehen. Hast du dir schon die Daten angesehen?«
»Bin gerade dabei, Sir«, sagte ich.
»Hör mit dem Sir auf«, sagte er. »Ich bin Paul, okay?«
»In Ordnung. Danke.«
»Wir haben nach Verträgen gesucht, das hier sind aber alles nicht registrierte Prepaid-Handys. Wie wir vermutet haben. Die Rechnungen sind aber trotzdem sehr interessant.«
Ich wartete, ob er mir noch mehr erzählen wollte, und fragte mich, ob er selbst alles bereits analysiert hatte, bevor ich gekommen war.
Ein verschmitztes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Sieh es dir an und sag mir, was du davon hältst«, sagte er.
Ich arbeitete mich durch die Anhänge, er hatte recht: Die Daten waren äußerst interessant. Jeder Satz Rechnungen war das exakte Spiegelbild der Anruflisten, die wir von den Handys der Opfer hatten. Mit anderen Worten, der Täter benutzte pro Opfer immer nur eine SIM-Karte, die er dann auswechselte. Die Telefonnummern waren fortlaufend, das legte also nahe, dass er die Karten nicht im Paket, sondern zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gekauft hatte. Und weil er so wenig Anrufe getätigt hatte, war es auch unwahrscheinlich, dass er die Karten jemals aufgeladen hatte – er nutzte einfach das Gratisguthaben, das er mit der SIM-Karte bekam, was vermutlich seine Zwecke mehr als erfüllte.
Die Ortungsdaten der Handys lagen alle in einem Radius um das Zentrum von Briarstone – und nicht in irgendeiner Wohngegend. Falls er nicht tatsächlich im Zentrum wohnte, nutzte er die Handys nur, wenn er in der Stadt war.
Er ging systematisch vor und war äußerst gerissen. Doch plötzlich fiel es mir auf. Ich atmete tief durch und musste husten. Das konnte doch nicht sein – er konnte doch nicht etwas so Offensichtliches übersehen haben?
Ich stand auf, meine Beine zitterten, als ich in Pauls Büro ging. Er hatte die Tür offen gelassen und strahlte jetzt über das ganze Gesicht. »Und, hast du’s?«
»Ich kann gar nicht glauben, dass er so gerissen und gleichzeitig so leichtsinnig ist«, sagte ich. »Er hat zwar immer wieder die SIM-Karte gewechselt, dabei aber stets das gleiche Handy benutzt.«
»Das ist keine Frage des Leichtsinns, wenn wir mal fair zu diesem armen Arschloch sein wollen«, sagte Paul. »Die Leute benutzen heute fast keine billigen Handys mehr, sie haben Smartphones, iPhones, BlackBerries. Die wirft man nicht so ohne Weiteres weg, dafür sind sie zu teuer. Sie denken, dass es reicht, die SIM-Karte auszuwechseln, damit man sie nicht mehr orten kann, aber wir wissen es natürlich besser.«
»Hast du einen Antrag für die Daten der anderen Handynummern gestellt? Die der anderen SIM-Karten, die er in dem Handy benutzt hat?«
»Gleich heute Morgen. Wir warten noch auf die Ergebnisse, aber in der Zwischenzeit haben wir auch nach einem Vertrag geforscht, den er für das Gerät abgeschlossen hat.«
»Und?«, fragte ich und hielt den Atem an.
»Der Vertrag läuft auf einen gewissen Mr. Colin Friedland. Wohnhaft in Briarstone.«
»Er hat einen Vertrag abgeschlossen?«
»Einen Fünfjahresvertrag bei einer Telefongesellschaft. Ganz offensichtlich ein rechtschaffener Bürger, dieser Mr. Friedland. Ich mag ihn jetzt schon.«
Wenn er einen Vertrag abgeschlossen hatte, war er entweder bescheuert, völlig unschuldig oder dachte tatsächlich, er hätte nichts zu verbergen. Vielleicht hatte er aber auch noch gar nicht mit seinen aktuellen Aktivitäten begonnen, als er den Vertrag unterschrieb – vielleicht hatte er erst vor Kurzem damit angefangen. Ich fragte mich,
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