Wofür du stirbst
dank des Traums – oder war es ein Alptraum? – mit Audreys langem, enttäuschendem Strip war ich zuversichtlich, dass ich mindestens eine Woche ohne durchhalten würde. Es hat doch etwas äußerst Abstoßendes, wenn man mitten in der Nacht die Bettwäsche wechseln und sich duschen muss, weil man wie ein pubertierender Teenager ejakuliert hat. Selbst mein Unterbewusstsein hält das für ein ekelerregendes Verhalten.
Schließlich stehe ich auf und mache Frühstück, wasche mich und ziehe mich an. Es ist ein strahlender Morgen, also gehe ich spazieren und überlege, womit ich mich das restliche Wochenende beschäftigen könnte.
Auf der Hauptstraße liegt ein toter Dachs. Sein Kopf wurde von einem Autoreifen zerquetscht. Er ist noch relativ frisch, fängt gerade erst an, sich aufzublähen, seine vier Pfoten stehen durch die Verwesungsgase, die sich in seinem Bauch gebildet haben, vom Körper ab, das Blut um seinen Kopf ist noch rot. Ich bleibe stehen und beobachte ihn eine Weile. Am Straßenrand ist kein Gehweg, nur ein breiter Grasstreifen mit einer Hecke und Feldern dahinter.
Soll ich zurück nach Hause gehen, eine Tüte holen und den Dachs irgendwo hinbringen, wo ich den Verwesungsprozess in Ruhe beobachten kann? Natürlich kommt es nicht infrage, in die Sache einzugreifen. Das ist nicht Sinn der Sache. Er muss vor Ort zerfallen, dort, wo er gestorben ist, sonst wäre es kein natürlicher Prozess mehr. Zögerlich gehe ich weiter und überlege, morgen Abend nach der Arbeit zurückzukommen, wenn ich Zeit habe, vorausgesetzt, dass das Tier bis dahin nicht gefunden und entsorgt wurde.
Nach dem Mittagessen lerne ich ein wenig, gehe ein paar Bestätigungsfragen inklusive Befehle und Doppelbindungen durch, denke an den Dachs und an Leah. Sie sind so unterschiedlich, haben so unterschiedliche Bedürfnisse.
Sie hat mir erzählt, was ihr widerfahren war. Für mich war es nicht schwer, sie zum Reden zu bringen, und als sie damit anfing, antwortete ich angemessen, zog ihr die Geschichte aus der Nase, entwirrte sie wie einen verhedderten Faden und beobachtete danach, wie sie völlig zusammenbrach. Sie arbeitete als Trainee in einem Supermarkt, und ihr Chef hatte wochenlang mit ihr geflirtet. Er war älter als sie, sie verfiel seinem Charme und gestand sich ein, dass sie ihn attraktiv fand. Eines Abends schließlich willigte sie ein, sich nach der Arbeit mit ihm auf einen Drink zu treffen. Danach gingen sie zum Supermarkt zurück. Ich wollte natürlich Details erfahren – schließlich war das der interessante Teil –, doch wenn ich sie drängte, lenkte das vom eigentlichen Thema ab, nämlich den richtigen Weg für sie zu finden. Wenn ich sie an die Einzelheiten ihrer sexuellen Begegnung erinnerte, würde das nicht funktionieren. Nun gut – sie hatten also eine Affäre und trafen sich meistens nach Geschäftsschluss zum Sex im Laden oder in seinem Auto, das er dann irgendwo am Standrand parkte. Doch schließlich kam seine Frau dahinter und stellte Leah am Arbeitsplatz vor allen Mitarbeitern und ein paar Kunden bloß. Als ich sie zum ersten Mal traf, hätte ich ihr das gar nicht zugetraut – so ein schüchternes, stilles Mädchen –, doch sie hatte tatsächlich nicht gewusst, dass er verheiratet war. Daraufhin ging er ihr natürlich tunlichst aus dem Weg, mied sie, schloss sie vom Managementtraining aus, das für sie vorgesehen war. Sie beantragte ihre Versetzung, die ihr jedoch nicht bewilligt wurde. Und obwohl der Mann sie so schrecklich behandelte, war der Grund, der Leah zu mir führte, dass sie ihn noch immer liebte, obwohl es hoffnungslos war.
Das war das richtige Wort: hoffnungslos. Dieses Wort war nötig, damit ich alle Hebel in Bewegung setzen konnte.
»Man kann die eigene Lage mühelos verbessern«, sagte ich zu ihr. »Das Ende des Weges ist ganz leicht zu finden.«
»Ich habe Angst vor Schmerzen«, antwortete sie.
»Gibt es denn schlimmere Schmerzen als die, die du jetzt gerade ertragen musst?«
»Nein. Aber – was ist, wenn ich etwas falsch mache? Wenn ich es falsch mache und dann nur noch alles schlimmer wird …?«
»Es gibt keine falschen Entscheidungen. Du kannst dich entscheiden und dich besser fühlen. Diese Entscheidung kannst nur du treffen. Sie liegt ganz in deiner Hand. Du hast die Macht dazu und die nötige Kraft dafür.«
»Ja, wahrscheinlich«, sagte sie.
»Ewiger Friede«, sagte ich sanft. »Friede und Stille, das Ende jeder Qual. Es kann ganz schmerzlos verlaufen, und zu deinen
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