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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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machte es nur noch schlimmer. Ich fühlte nach dem Engel, den ich immer in der Manteltasche bei mir trug, und fuhr mit den Fingern die feinen Umrisse seiner herrlichen Flügel nach. Es gab bestimmt einen Grund für das alles, oder? Bestimmt hatte irgendwo jemand einen Plan, und das alles würde irgendwann einen Sinn ergeben.
    Der Bus fuhr auf den Parkplatz, ich kämpfte mich erschöpft auf die Füße. Mein Rücken brachte mich fast um. Ich würde mir ein heißes Bad einlassen, sobald ich endlich zu Hause war – mit ein paar Tropfen Eukalyptusöl, um meine Schmerzen ein wenig zu lindern.
    Ich sah meinen Wagen, der einsam in der Dunkelheit dastand und silberfarben glänzte. Die orangefarbene Straßenbeleuchtung schimmerte im Nebel. Andere Leute hätten wohl Angst gehabt, in der Dunkelheit zu ihren Autos zu laufen, dachte ich noch. Andere Frauen hätten sich in einer solchen Situation verletzlich gefühlt. Ich hatte keine Angst. Ich war einfach nur müde.
    Der Wagen war kalt und feucht und wollte einfach nicht anspringen. Nach zwei oder drei Startversuchen startete der Motor stotternd. Ich fuhr zum Supermarkt und kaufte für meine Mutter ein.

 
    Colin
    Ich wollte am Montagabend lernen, war aber zu unkonzentriert dafür. Nachdem ich die verschmutzte Ausgabe des Briarstone Chronicle im Küchenmüll in der Arbeit entsorgt hatte, kaufte ich auf dem Heimweg eine neue Ausgabe. Allein der Anblick der gefalteten Titelseite auf dem Tresen mit Rachelles halbem Kopf drauf sorgte dafür, dass ich steif wurde. Trotz meiner selbst auferlegten Abstinenz gönnte ich mir einen frühabendlichen Whisky, danach fiel es mir schwer, mich davon abzuhalten, fast die ganze Nacht durchzumasturbieren. Daran war der Zeitungsartikel schuld – und der Funken einer Idee, die nicht Gestalt annehmen wollte, egal aus welchem Winkel ich sie auch betrachtete.
    An diesem Abend ging ich nach der Arbeit beim Supermarkt vorbei, um etwas Brot, Milch, Oliven und chorizo zu kaufen. Während meine Sachen auf dem Laufband zur Kasse glitten, sah ich mich um. Mein Blick fiel auf eine Frau, die an der nächsten Kasse stand. Sie war übergewichtig – fast schon fett; sie hatte ihr dünnes Haar zu einem ungepflegten Pferdeschwanz zurückgebunden. Es wurde an den Schläfen langsam grau, doch ähnlich wie Janice war sie vermutlich nicht so alt, wie sie aussah. Sie trug keinen Ehering und hatte nichts auf das Band gelegt, das darauf schließen ließ, dass sie für eine Familie einkaufte. Außerdem hatte sie genau den Blick, den so viele von ihnen haben – den eines Menschen, der aufgegeben hat. Sie sah müde aus, als habe der Tag sie erbarmungslos in die Mangel genommen, sie frühmorgens aufgesammelt und am Ende des Tages wie einen schmutzigen Spüllappen zurückgelassen, den man ausgewrungen und zum Trocknen über den Wasserhahn gehängt hat.
    Irgendwie brachte sie es fertig, die Kassiererin anzulächeln, und wie bei Janice leuchtete dabei ihr Gesicht auf – nur viel zu kurz. Doch so wie Leah ist auch sie noch nicht für mich bereit, ganz egal, wer sie ist. Doch das dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Ich hoffe, dass ich sie wiedersehe. Sie sieht aus, als könnte sie meine Hilfe gebrauchen.
    Selbst wenn sie noch nicht reif für mich war, brachte mich diese neue Aussicht auf eine erstaunliche Idee. Ich hatte mir darüber den Kopf zerbrochen, wie ich die Zeitung kontaktieren und gleichzeitig anonym bleiben konnte. Natürlich konnte ich auf altmodische Art und Weise einen Brief an die Redaktion schicken – der sich nicht zurückverfolgen ließ – aber das würde mich um den Reiz bringen, ihre Reaktion zu hören. Ich musste also entweder persönlich dort erscheinen oder mit ihnen telefonieren.
    Dann kam mir die Idee, wie ich es anstellen konnte. Wie Nietzsche schon sagte: »Zweierlei will der echte Mann: Gefahr und Spiel.« Ich spielte mit ihnen, wann immer es mir beliebte, doch das genügte mir nicht mehr. Nun schien ich auch die Gefahr zu wollen …
    Ich hatte momentan drei Menschen, die sich in unterschiedlichen Stadien befanden und auf jenen Moment, den Beginn ihrer Transformation, warteten. Die Person, die bereits am weitesten auf diesem Weg vorangeschritten war, wohnte zufälligerweise ganz in der Nähe des Supermarktes. Ich parkte in der Straße hinter ihrem Haus und ging durch die Gasse. Niemand war zu sehen; die Straßen waren menschenleer. Ich sah nur eine Katze, die ihren dünnen Körper an einer Mülltonne rieb. Sonst regte sich nichts.
    Ich rief

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