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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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Fressorgie. Schmeißfliegen mögen es frisch. Motten und Zünslerlarven fressen nur verweste, trockene Überreste und kommen erst, wenn die Schmeißfliegenlarven satt sind. Es ist ein sorgfältig von der Natur geplantes Bankett. Der Reihe nach werden mit einem perfekt abgestimmten Geruch jeweils nur die Gäste angelockt, die den für sie angerichteten Gang bevorzugen.
    Nachdem ich meiner Liebe zur Biologie lange genug gefrönt hatte, legte ich Bilder und Notebook wieder in das sichere Versteck zurück und widmete mich einem weniger kompromittierenden Thema: NLP.
    Mein NLP-Lehrer heißt Nigel. Früher arbeitete er mit mäßigem Erfolg in der Finanzbranche, bis er NLP entdeckte und, wenn man ihm glauben darf, so erfolgreich wurde, dass er mit zweiunddreißig in Rente gehen konnte. Ihm war die Arbeit als Börsenmakler zu stressig, also beschloss er, stundenweise als Lehrer zu arbeiten und sein Wissen an uns weiterzugeben.
    Fairerweise muss ich sagen, dass seine Stunden immer recht unterhaltsam sind. Der Unterricht beginnt immer nach einem scheinbar festen Schema, driftet dann ab zu Anekdoten über Nigels Zeit in der Finanzwelt, oder irgendein Teilnehmer erzählt von seinen Versuchen, die Techniken, die wir gelernt haben, in die Praxis umzusetzen. Am Ende des Unterrichts führt Nigel meistens dramatisch aus, dass er uns die ganze Zeit über gecoacht und wir wieder etwas ziemlich Unerwartetes gelernt hätten.
    Einmal erzählte Nigel uns, wie man eine Unterhaltung von einer Konfrontation weg und hin zu einer Lösung führt, und landete dann bei einer Geschichte, wie er mit NLP ein Mädchen, das ihm gefiel, dazu gekriegt hatte, mit ihm zu schlafen.
    Wir waren an dem Abend zu sechst in der Klasse. Lisa war aus irgendeinem Grund nicht da, also waren nur Alison und fünf Männer anwesend. Alison arbeitete in einer Bank. Sie besuchte den Kurs, weil sie sicherer im Umgang mit schwierigen Kunden werden wollte. Sie wollte lernen, wie man aus einer Beschwerde einen Geschäftsabschluss macht.
    Daran, wie Nigel die Geschichte erzählte, konnte man sehen, dass er sie sich ganz bewusst für den Schluss des Kurses aufgespart hatte. Alison rutschte verlegen auf ihrem Stuhl hin und her, genau wie der ältere Herr, der wahllos alle Abendkurse besuchte – er hatte an drei Kursen teilgenommen, die auch ich belegt hatte –, wahrscheinlich, um dem schrecklichen Zwang zur Konversation mit seiner Frau zu entkommen. Doch die anderen – zwei jüngere Kerle, Roger und Darren, die sich eine Karriere im Vertrieb erhofften, und ein Musikproduzent, der die Kritiker beeinflussen wollte – hingen Nigel förmlich an den Lippen.
    Natürlich hatte er bei der Frau Erfolg, denn Nigel versagte nie, und falls doch, hätte er uns diese Geschichte bestimmt nicht erzählt. Das Mädchen war seinem Charme hilflos ausgeliefert gewesen. Er hatte mit ihr geschlafen und dann eine Beziehung angefangen, die drei Jahre gedauert hatte. Dann war sie in die USA gegangen, um eine Karriere als Schauspielerin und Model zu beginnen. Sie hatten die Beziehung freundschaftlich beendet. Anschließend war er seiner Frau begegnet, hatte aber keinerlei NLP-Technik anwenden müssen, um sie zu bezirzen, und auch das verbuchte er als Erfolg.
    Moral der Geschichte war, dass all dies nur teilweise unmoralisch war. Er sagte, NLP sei ein mächtiges Werkzeug, das verantwortungsvoll eingesetzt werden müsse. Es funktioniere am besten, wenn die Menschen es dazu nutzten, um ein für beide Seiten positives Resultat zu erzielen. Es ginge nur darum, eine Technik zu verfeinern, die jeder Mensch schon könne, ohne sich dessen bewusst zu sein. Es ginge einfach darum, so gut wie möglich darin zu werden. Hätte sich die Frau nicht irgendwie von ihm angezogen gefühlt, argumentierte Nigel, wäre sie seinen sorgfältig geplanten Andeutungen und Beeinflussungen nicht erlegen. Es ging darum, bereits vorhandene Chancen zu maximieren, und nicht darum, diese zu verfälschen oder die Menschen dazu zu bringen, Dinge gegen ihren Willen zu tun. Man sollte sie einen Weg entlangführen, den sie sowieso gehen wollten. Es ging darum, sie in ihrem Vorhaben zu bestärken, wenn sie selbst nicht den Mut, die Konzentration oder die Entschlossenheit fanden, es zu vollbringen.
    Nigel bezeichnete das eine Win-win-Situation.
    Obwohl ich mir den Kopf zerbrach, konnte ich nicht einsehen, warum ich diese Technik nicht dazu verwenden sollte, um eine Frau zu verführen. Das wäre doch eine Win-win-Situation?
    Ich dachte über

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