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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haynes
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all das viel nach. Die Idee reifte in mir heran und breitete sich in mir aus, bis ich an nichts anderes mehr denken konnte. Es gab sicherlich Frauen, die sich einigermaßen von mir angezogen fühlten. Ich konnte eine von ihnen für mich gewinnen und dafür sorgen, dass sie mich mochte, wenn ich es vermied, ihr die falschen Sachen zu sagen und somit meine Chancen ruinierte. Vielleicht würde sie sogar mit mir schlafen wollen. Und wenn wir uns noch näher kämen, ergäbe sich am Ende ja vielleicht ganz unerwartet eine Beziehung. Ich las mich gierig in das Thema ein, nahm jedes Buch, das ich finden konnte, sah mir alle Internetseiten an, auf denen das Metamodell und das Milton-Modell, Spiegelungen, Strategien und Trancezustände diskutiert wurden. Ich übte bei der Arbeit, auch wenn mir dabei nicht ganz wohl war: Ich fing mit Martha und ein paar anderen eine Unterhaltung an und beobachtete, wie sich ihre Verlegenheit und Skepsis zu freundlich reservierter Akzeptanz wandelte. Das war zweifellos faszinierend. Es funktionierte, und je mehr ich mich anstrengte, desto selbstsicherer wurde ich.

 
    Annabel
    Als ich wieder die Augen aufschlug, war er nicht mehr da. Ich erwartete irgendeine Empfindung, doch da war nichts. Angst hatte ich keine.
    Die Zeit verstrich, denn als ich das nächste Mal die Augen öffnete, war es Tag, dann war es wieder dunkel. Sechs Uhr abends war schon zweimal vorüber. Ich war an das schwarze Handy gegangen, hatte zugehört und gesprochen, auch wenn ich nicht mehr wusste, worüber.
    Mein Mund war trocken und klebrig und fühlte sich unangenehm an. Nur das störte mich. Aber selbst das ging vorbei.
    Das Handy lag neben dem Bett. Ich steckte es an das Ladegerät, genau wie er es mir befohlen hatte.
    Ich hatte das Gefühl, ich würde auf etwas warten.
    Wenn es so weit ist, werde ich es merken, dachte ich. Ich werde es wie einen alten Freund willkommen heißen.

 
    Colin
    Ich nehme die Verantwortung, die ich trage, sehr ernst, muss aber zugeben, dass mich der Zeitungsartikel vom letzten Freitag etwas irritiert hat.
    Ich bin fast den ganzen Samstag zu Hause geblieben, habe mich erst nach Einbruch der Dunkelheit hinausgewagt und auch nur einen Besuch gemacht. Nach dem kurzen Abstecher zum Haus in der Newmarket Street am Freitag beschloss ich, sie in Ruhe zu lassen, bis sie sich im wahrsten Sinne des Wortes von alleine verwandelte. Es ist nicht schön, wenn man von den Lebenden gestört wird. Stattdessen besuchte ich Maggie. Oft denke ich, dass man sie wahrscheinlich als Letzte finden wird, was irgendwie ironisch ist, denn sie war von allen die bei Weitem vermögendste Person. Man sollte meinen, dass ihre Familie und Freunde ihr mehr Beachtung schenken würden, da sie ja ganz offensichtlich viel zu bieten hatte. Doch seit Monaten hatte niemand ihre Verwandlung gestört. Sie hat ein wunderschönes Haus auf dem Land, darum stört der Geruch auch die Nachbarn nicht, wie das im Stadtgebiet oft der Fall ist.
    Meistens besuche ich sie am Wochenende, manchmal auch tagsüber, weil ich in ihrer Straße noch nie einer Menschenseele begegnet bin und ich mir keine allzu großen Gedanken darüber machen muss, dass mich jemand sieht. Man könnte daraus schließen, dass ich keine allzu große Angst davor habe, gesehen zu werden, nicht wahr? Aber ich bin recht unauffällig. Wenn Sie mir auf der Straße begegneten, würde Sie das nicht sonderlich beunruhigen, und so soll es auch sein. Trotzdem falle ich nur ungern auf.
    Jetzt wollen Sie bestimmt wissen, was ich während meiner Besuche tue? Das dachte ich mir.
    Ich studiere die Veränderungen, die seit meinem letzten Besuch eingetreten sind. Ich mache mir Notizen, aber meistens erst später, wenn ich wieder zu Hause bin. Ich knipse Fotos mit meiner Digitalkamera, die ich zu Hause genauer untersuche, katalogisiere und ablege. Wenn ich mir alles notiert habe, was mich interessiert, bleibe ich einfach eine Zeit lang neben ihnen sitzen und betrachte sie. Ich achte immer darauf, dass ich nichts in ihrer Umgebung verändere oder irgendwas zurücklasse.
    Allerdings muss ich zugeben, dass ich bei vielen nicht mehr dieselbe Begeisterung verspüre wie am Anfang. Das einst so hoch erotische Entzücken ist mit der Zeit einer gewissen Zuneigung gewichen. Ich würde es fast als Liebe bezeichnen, obwohl ich die Bedeutung dieses Wortes nie richtig verstanden habe. Immerhin verbringe ich oft Monate mit ihnen. Ich betrachte sie mit der Zuneigung eines Liebhabers. Ich beobachte sie in ihren

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