Wofuer es sich zu sterben lohnt
aus, dass Monika die Wahr heit aussprach.
»Wir klären gar nicht so viele von unseren Fällen auf. Vor allem, weil wir so wenige sind.«
Tigist überlegte eine Weile.
»Aber ihr habt viele Computer.«
Monika nickte. Die hatten sie.
»Ihr solltet vielleicht einige Computer verkaufen und mehr Leute einstellen.«
»Das Problem bei uns ist, dass Polizisten teuer sind und Computer billig. Bei euch scheint es umgekehrt zu sein. Egal wie, gut ist das alles nicht. Es ist die reine Hölle, bei der Polizei zu sein.«
Tigist lachte.
»Ja, was für eine Hölle. Aber man will sie ja doch nicht gegen eine andere Hölle eintauschen. Glaub mir, Tänzerin zu sein ist schlimmer.« Sie legte Monika den Arm um die Schultern. »Wir können in ein paar Stunden jedenfalls Theo abholen, dann kannst du endlich mit ihm sprechen.«
»Zuerst muss ich meine Chefin in Stockholm anrufen und fragen, was sich da tut. Es war ein langes Wochenen de, vermutlich ist also gar nichts passiert.«
Das sollte sich als Irrtum erweisen. Als Monika endlich Daga erwischte, tauschten sie einige extrem kostspielige Begrüßungsfloskeln aus. Dann berichtete Monika, dass sie Theo gefunden habe, aber noch nicht sehr viel mit ihm habe sprechen können, da er im Krankenhaus liege. Dass sie damit rechne, ihn während des Nachmittags vernehmen zu können. Daga deutete vorsichtig an, dass das vielleicht keine so große Rolle mehr spiele. Ein Vater aus der Klas se habe sich am Sonntag gestellt. Und zwar der Vater einer Mitschülerin namens Matilda, eines Mädchens, dem es in Juris Gesellschaft übel ergangen sei. Der Vater habe die Be herrschung verloren und sei mit einem Messer hinter Juri hergerannt. Es sei kein Mord gewesen, wohl auch kein Tot schlag, sondern eher fahrlässige Tötung, so sah der reuevol le Vater das. Bosse, der offenbar wieder gesund war, nahm gerade die erste Vernehmung vor. Theo schien mit der gan zen Sache nichts zu tun gehabt zu haben.
Ach. Dann könne sie ja gleich wieder nach Hause fah ren.
»Schlechte Nachrichten?«, fragte Tigist.
»Nein, doch, sieht aus, als sei mein Mord in Stockholm aufgeklärt. Jedenfalls hat jemand gestanden.«
Monika schauderte es, als sie an das Bild von Matilda dachte, das auf Bosses Bildschirm aufgetaucht war. Es war eine wichtigere Spur gewesen, als sie erkannt hatten. Jetzt im Nachhinein konnte sie nicht verstehen, warum sie nicht sofort mit Matilda und ihrer Familie gesprochen hatten. Vermutlich, weil das Bild einfach zu widerlich gewesen war. Vielleicht, weil niemand den Eltern oder dem Opfer so ein Bild zeigen mag und weil sie es nicht geschafft hatten mit ihren zwei halben Stellen.
Tigist nahm ihre Hand und zog sie in die Gegenwart zu rück. Monika merkte, dass sie an diese Berührungen noch immer nicht gewöhnt war.
»Dann fahren wir zurück zum Revier, wenn dir das recht ist. Danach können wir zusammen Mittag essen, ehe wir Theo holen. Er soll so gegen halb zwei entlassen werden. Wir müssen fragen, ob er noch andere gesehen hat, die in Mariams Nähe standen.«
Monika nahm dieses Angebot dankbar an. Sie hatte plötzlich frei. War überflüssig. Niemand in Stockholm frag te noch nach Theos Zeugenaussage, jetzt gehörte er nur Ti gist und ihrer Ermittlung. Nach ihm war gefahndet worden, das fiel Monika plötzlich ein, und sie hätte gern gewusst, was jetzt aus ihm werden sollte.
Sie hatte Tigist zu ihm geführt. Sie hatte berichtet, dass er wieder in Addis war. Sie hatte ihn aus dem Vulkansee ge fischt, damit er seine Aussage machen konnte.
Er selbst hätte den Tod vorgezogen.
Was hatte sie eigentlich gemacht? Ein unbehagliches Ver antwortungsgefühl sagte ihr, dass sie gehandelt hatte, ohne nachzudenken. Dass sie sich von Tigists langsamer Art und ihren hypnotischen Händen hatte verführen lassen und Theo jetzt viele Jahre Gefängnis riskierte, wegen - ja, wes halb? Beihilfe zum Mord, vielleicht? Hatten er und Mariam den Mord vielleicht gemeinsam geplant und ausgeführt? Flucht vor der Polizei - war das strafbar?
Als sie Tigists Büro betraten, hatte Monika wirklich Angst davor, was sie hier angerichtet hatte. Es war ein schwacher Trost, dass sie das doch alles nicht hatte voraussehen kön nen.
Auf dem Schreibtisch lag ein Zettel. Tigist, die Monikas Stimmung nicht zu bemerken schien, sagte munter:
»Jetzt lernst du meinen Chef kennen. Komm.«
Tigists Chef hieß Ibrahim. Er war klein, glatzköpfig, freundlich und freudestrahlend. Er hatte soeben Entwick lungshilfegelder für ein
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