Wofuer es sich zu sterben lohnt
Projekt erhalten, und jetzt musste nur noch ein winziges Detail geklärt werden.
»Wir haben alle Forderungen erfüllt, bis auf eine - zu der Gruppe, die das Projekt leiten soll, muss eine Frau gehören, die sich vor allem um die jungen Polizistinnen kümmern soll. Sie muss Englisch sprechen, und deshalb musst du das übernehmen, Tigist.« Er schob ihr ein Papier zum Unter schreiben hin. Sie nahm es und las aufmerksam.
»Wenn ich das nicht unterschreibe, dann verliert die Ab teilung siebenundfünfzigtausend Dollar, stimmt das?«
Ibrahim sah verlegen aus, und sein Lächeln verlor sich ein wenig.
»So kann man das auch sehen.«
»Das bedeutetet, dass ich in diesem Zusammenhang eine überaus wertvolle Person bin. Es wird nicht reichen, dass hier mein Name steht. Sie werden mich sehen wollen. Sie werden erwarten, dass ich bei den Besprechungen anwe send bin und dass ich die Unterlagen lese. Das wird sehr viel zusätzliche Arbeit bedeuten.«
Auf alle diese Gedanken schien Ibrahim noch nicht ge kommen zu sein.
»Das alles wird eine große Belastung für mich sein«, sag te Tigist. »Ich glaube, ich brauche eine Gehaltserhöhung, wenn das gutgehen soll. Eine Gehaltserhöhung, die dieser Summe entspricht.«
Jetzt war Ibrahims Lächeln verschwunden.
»Das geht doch nicht.«
»Betrachte es als einen Fall von Angebot und Nachfra ge«, sagte Tigist freundlich. »Du brauchst eine Polizistin, die gut Englisch spricht. Wir sind nicht sehr viele, deshalb steigt der Preis.«
Ibrahim versuchte, Tigist strafend anzustarren, aber sie starrte nur zurück, unangefochten wie eine Tänzerin, die schon lange immun gegen Männerblicke ist.
Ibrahim sah Monika fast resigniert an.
»Es muss schön für euch in Schweden sein, selber ent scheiden zu können. Aber so ist es eben - wer Geld hat, macht, was er will, wer fremder Leute Geld benutzt, muss sich fügen.«
Rasch fügte er hinzu:
»Es ist nicht so, dass wir uns über dieses Geld nicht freu en. Wir sind überaus dankbar, auch Ihrem freigebigen Land. Und du, Tigist, kannst sicher eine besondere Pro jektentlohnung bekommen, so können wir das Problem lösen.«
Tigist strahlte wie die Menschen überall, wenn sie eine Gehaltserhöhung bekommen. Ibrahim lächelte zurück und fragte:
»Wie geht es übrigens mit dem Jungen, der den Liebha ber seiner Mutter erschossen und dann in Stockholm je manden erstochen hat?«
Tigist antwortete wie aus der Pistole geschossen:
»Leider haben wir ihn nicht gefunden. Vielleicht war es falscher Alarm. Wir haben bei der Schwester seiner Mutter nach ihm gesucht. Und in dem Haus bei der britischen Bot schaft, wo er gewohnt hat. Wir haben seinen Vetter gefun den. Wir haben den Sohn der Köchin gefunden. Wir waren sogar in Debre Zeit. Da haben wir einen Jungen gefunden, der in den See gefallen ist.«
Ibrahim machte ein entsetztes Gesicht.
»Doch nicht in den See?«
»Doch.«
»Und dann?«
Tigist schauderte es.
»Wir haben ihn herausgefischt. Er schien tot zu sein, aber ein Mann, der dort wohnt, hat ein Huhn geopfert, und da ist er wieder zum Leben erwacht.«
Ibrahim fuhr sich über den kahlen Schädel, als könne er dadurch Ordnung in seine Gedanken bringen. Dann wand te er sich an Monika.
»Es tut mir wirklich leid, dass wir Ihnen nicht helfen können. Wir sind vielleicht nicht so effizient wie ihr in Europa...«
Monika fiel ihm rasch ins Wort:
»Inspektor Tigist war ungeheuer effizient - und eine viel bessere Partnerin als mein engster Kollege in Stockholm, das können Sie mir glauben. Ich bin sehr zufrieden. Wirk lich zufrieden. Es ist möglich, dass der Junge, den ich su che, noch in Schweden ist, wir wussten ja nicht sicher, ob wirklich er hergeflogen ist.«
Ibrahim sah erleichtert aus und stimmte zu. So konnte es sein, so war es sicher. Er hoffte, dass sie ihn in Schweden finden würde, er hoffte, sie bald wiederzusehen, er wünsch te ihr alles Gute.
Vor der Tür packte Tigist Monikas Arm und zog sie rasch in Richtung Ausgang. Monika wollte fragen, wohin sie gin gen, doch Tigist legte einen Finger an ihre Lippen - offen bar würden sie später über alles sprechen.
Erst, als sie in einem menschenleeren kleinen Café sa ßen und jede von ihnen einen Macchiato bestellt hatte, sagte Tigist:
»Monika! Du musst Theo mit zurück nach Schweden nehmen.«
Als Monika keine Antwort gab, fügte sie hinzu:
»Hier ist er wegen des Mordes an Salomon schon verur teilt. Von den Zeitungen. Ich kann nicht beweisen, dass ich recht habe, aber ich
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