Wofuer es sich zu sterben lohnt
weiß hier …«, ihre Hände legten sich sanft auf ihr Herz, »dass der Junge unschuldig ist. Aber wer weiß, was passieren wird, wenn der Staatsanwalt stark ist und der Verteidiger schwach? Wer weiß, was passieren wird, wenn Ibrahim eine Pressekonferenz abhält und Theo der Einzige ist, den wir zur Verantwortung ziehen können? Es ist besser, dass wir ihn nicht finden konnten.«
Monika schwieg.
»Wir haben ihn nicht gefunden?«
»Er war nicht hier.«
»Aber der Zabagna, der Fahrer, alle im Krankenhaus …«
»Der Zabagna wird dichthalten, das hat er doch die ganze Zeit getan. Der Fahrer weiß nicht, wen wir transportiert ha ben - er kann es erraten, aber das ist nicht dasselbe, wie es zu wissen. Es gibt viele, viele, die gern seinen Posten hätten. Er wird schweigen. Im Krankenhaus ist Professor Menelik wohl der Einzige, der Theo persönlich kennt. Aber wir fah ren jetzt deine Sachen holen, dann lesen wir Theo auf und fahren direkt zum Flughafen.«
»Aber«, meinte Monika vorsichtig, »irgendwann muss es doch herauskommen … wir können doch nicht so einfach die Geschichte umschreiben?«
»Natürlich können wir das. Die Politiker machen es die ganze Zeit, warum sollen die ein Monopol haben?«
Sie fuhren mit einem kleinen Taxi zu dem Hotel, wo Mo nika rasch auscheckte, während das Taxi wartete. Dann ging es weiter zum Krankenhaus.
»Monika, wir werden darum ersuchen, mit Mariam spre chen zu können, so, wie du das bei Theo gemacht hast. Dann werden wir sehen, was passiert. Vielleicht darf ich zu euch kommen wie du zu uns. Inzwischen kannst du mir doch Mariams CD geben - die wird uns eine Weile be schäftigen. Ich kann sagen, dass wir sie bei der Suche nach Theo gefunden haben.«
Sie drehte sich zum Taxifahrer und fragte gereizt:
»Können Sie nicht ein bisschen schneller fahren?«
Das konnte er nicht. Für Monika war es ein Mysterium, dass er überhaupt vorwärtskam. Es war ein altes, rampo niertes Auto, und die Originalteile waren schon längst in der Minderzahl.
»Haben wir es so eilig?«, fragte Monika.
»Ibrahim ist nicht dumm. Vorhin war er zerstreut, weil so viel Geld unterwegs ist. Aber wenn er anfängt nachzuden ken, wird er sich sicher Fragen stellen … und das wäre nicht gut. Je schneller ihr wegkommt, desto besser.«
Im Krankenhaus fanden sie einen schweigsamen, blassen Theo auf wackligen Beinen. Er hatte Pflaster in der Arm beuge, wo er am Tropf gehangen hatte, und er antwortete nicht, als sie ihn ansprachen.
Professor Menelik sah sie skeptisch an, als er erklärte, die akute Krise sei vorbei und Theos Atmung habe sich stabi lisiert.
Am Vortag hatten sie ein gemeinsames Ziel gehabt - Theo die bestmögliche Pflege zu verschaffen. Jetzt war al les anders. Theo wurde gesucht. Jetzt wäre er zuerst Häft ling, dann erst Patient. Der Professor hätte keine Macht mehr über ihn. Das war sicher ungewohnt, nahm Monika an. Ungewohnt und unangenehm, und gerade bei Theo war diese Ohnmacht bestimmt besonders beängstigend und ärgerlich.
Tigist starrte den Professor an.
»Dieser junge Mann sieht Mariams Sohn Theo ziemlich ähnlich, nicht wahr?«
Die Augen des Professors leuchteten auf, er hob die Hän de und musterte Theo forschend.
»Na ja … ich weiß ja nicht. Gleiches Alter, gleiche Größe. Aber verwechseln könnte man sie nicht, nicht direkt.«
Jetzt sah er plötzlich geradezu glücklich aus.
»Wir tragen ihn als unidentifizierten jungen Mann von ca. zwanzig ein. Das gibt dann ein kleines Buchführungs problem, das ist alles. In ungefähr einer Woche muss er sich die Lunge röntgen lassen, nur sicherheitshalber.«
Und dann konnten Monika und Theo mit dem Pass von Theos Vetter einige Stunden darauf vom Flughafen Bole über Kairo nach Stockholm fliegen.
»Ihr müsst die erste Maschine nehmen«, hatte Tigist ge sagt, die zu wissen schien, dass ihr Vorsprung nicht sehr groß war. Als glaube sie, ein Wagen voller bewaffneter Kol legen habe bereits das Hauptquartier verlassen und steue re den Flughafen an. Aber sie konnten die Sicherheitskon trollen problemlos passieren. Sie hatten beim Einchecken mit Männern, die in ihren weißen, bodenlangen Hemden aussahen wie Sternsinger, und ihren verschleierten Frauen Schlange gestanden. Bei der Passkontrolle hatte Monikas Herz fast ausgesetzt, während der Beamte in seinem Glas kasten sich bei Theos Pass sehr viel Zeit ließ, bis er ihn dann einfach zurückgab und sie durchwinkte. Danach wa ren sie in der Abflughalle ruhelos hin und
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