Wofuer es sich zu sterben lohnt
und zog schließlich einen Führerschein hervor und warf ihn auf den Schreibtisch. Der Führerschein rutschte über die Kante und fiel zu Boden.
Greta bückte sich, hob ihn auf und fragte:
»Haben Sie sich keine Sorgen gemacht, oder waren Sie nicht wenigstens neugierig auf die Antwort?«
Er schaute sie verächtlich an.
»Ich hab doch schon gesagt, dass ich mich nicht ange steckt haben kann. Das war doch alles bloß gelogen, ich war nicht mal in der Nähe von diesem Dealer. Ich will die Sache nur hinter mich bringen. Und zwar schnell.«
Die Krankenschwester schaute den Führerschein an, ver glich das Foto mit dem missmutigen Gesicht vor ihr, nickte, gab ihm den Führerschein zurück und sagte leise:
»So schnell wird das leider nicht gehen. Sie müssen ver stehen - Ihre Blutprobe war positiv. Es sieht also so aus, als ob Sie mit dem HIV Virus infiziert sind.«
»Darauf fall ich nicht rein. Ich soll mich angesteckt ha ben - spinnen Sie eigentlich?«
»Es kann schon sein, dass Sie recht haben - als Erstes ma chen wir also noch einen Test, zur Kontrolle.«
Er sah sie zum ersten Mal aufmerksam an und fragte: »Soll das heißen, der Test beweist, dass ich mich mit HIV infiziert habe?«
»Auf den ersten Blick scheint es so auszusehen, ja.«
»Scheiße.« Er äffte ihre sanfte Stimme nach. »Auf den ersten Blick. Scheint es so auszusehen.« Er beugte sich vor und wurde lauter. »Ihr habt doch keine Ahnung, und dann schleift ihr Leute her und droht mit der Polizei. Ihr spinnt doch alle.«
»Wir machen heute einen neuen Test, dann werden wir sehen.«
»Ihr habt die Proben verwechselt. Ihr blöden Idioten.«
Greta fing an, ein Formular auszufüllen.
»Sie haben natürlich niemals ungeschützten Sex gehabt?«
»Nur mit Leuten, von denen ich weiß, dass sie gesund sind. Für wie blöd halten Sie mich eigentlich?«
»Injektionsbesteck geteilt?«
»Ich fixe nicht.« Und unter ihrem misstrauischen Blick streckte er einen muskulösen Arm mit deutlich sichtbaren Venen aus. Es waren keine Stiche zu sehen, weder alte noch frische. »Meine Venen sind ganz unschuldig, wie du siehst. Allesamt.«
»Und der Rest Ihres Körpers? Keine diskreten Einstiche anderswo?«
»Es hat ja nicht mal geblutet - da kann man sich doch nicht angesteckt haben.«
»Das werden wir ja sehen. Wenn Sie Sex hatten - hatten Sie den mit Jungen, mit Mädchen oder mit beidem?«
»Aber verdammt, halten Sie mich jetzt auch noch für schwul? Glauben Sie das? Sehe ich so aus?«
»Ich glaube nichts. Ich frage nur.«
»Mir geht’s doch gut, verdammt noch mal. Meinen Sie, ich würde nicht merken, wenn ich krank wäre?«
»Es ist sehr gut möglich, dass Sie das merken würden. Und es kommt auch vor, dass Proben verwechselt oder falsch beurteilt werden. Deshalb machen wir jetzt einen neuen Test. Und während wir auf die Antwort warten, müs sen Sie sich als Infektionsträger betrachten, auch, wenn wir das nicht ganz sicher wissen. Das bedeutet, dass Sie vom Gesetz her verpflichtet sind, möglichen Sexualpartnern oder partnerinnen mitzuteilen, dass Sie infiziert sein kön nen und dass Sie Kondome benutzen müssen. Sie müssen dafür sorgen, dass andere nicht in Kontakt mit Ihrem Blut kommen. Verstanden? Dann können Sie hier unterschrei ben, dass Sie informiert worden sind.«
Er verdrehte die Augen, unterschrieb aber, ohne den Text zu lesen.
»Kann ich jetzt gehen, ohne dass die Bullen angerufen werden?«
»Sie können gehen. Hier sind noch ein paar Informatio nen, die können Sie zu Hause lesen.«
Als er gegangen war, schrieb sie eine kurze Notiz darü ber, dass ein Test gemacht worden war. Dass sie ihn münd lich über Infektionsschutz informiert und ihm auch eine Informationsbroschüre mitgegeben hat. Sie schrieb nicht, dachte aber, sie würde jede Wette darauf abschließen, dass alle Unterlagen bereits im Papierkorb im Wartezimmer lägen.
Sie überflog den Krankenbericht. Der Mann hieß Juri, war 19 Jahre, wohnte mit seinen Eltern und seinem jünge ren Bruder zusammen. Besuchte die Abschlussklasse des Gymnasiums, individuelles Programm. Er hatte sich als he terosexuell ausgegeben, behauptet, keine feste Beziehung und auch in der letzten Zeit keinen Sex gehabt zu haben. Sie dachte, sie könnte zufrieden sein, wenn auch nur die Hälfte stimmte.
Sie schloss die Datei und stellte den Computer auf Stand by. Jetzt war diese Woche vorbei. Jedenfalls fast. Das abend liche Fest war ja wohl eher Arbeit als Vergnügen.
Sie fuhr sich mit den Fingern
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