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Wofür stehst Du?

Wofür stehst Du?

Titel: Wofür stehst Du? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Axel Hacke
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Unternehmensberater namens Mario Miraglia angefreundet, der politisch viel weiter links stand als er selbst. Die kommunistische Gewerkschaft CGIL hatte ihn Ende der 70er-Jahre gebeten, ihren Mitgliedern Grundkenntnisse der Betriebswirtschaft beizubringen, um sie zum Beispiel für Verhandlungen mit Arbeitgebern zu schulen. Dieses Engagement wurde ihm zum Verhängnis.
    Eines Sonntags, Miraglia war gerade im Bad und rasierte sich, klingelte es an seiner Wohnungstür. Sein ältester Sohn öffnete. Draußen stand ein junges Pärchen, das die Kirchenzeitung Famiglia cristiana in den Händen hielt. Der Junge schaffte es gerade noch zu sagen, dass er daran nicht interessiert sei, da spürte er schon den Lauf einer Pistole an seinem Bauch. Mit erhobenen Händen wankte er zurück in die Wohnung. Inzwischen hatte der Vater den Überfall bemerkt und auch begriffen, mit wem er es tatsächlich zu tun hatte: Die Eindringlinge warfen ihm vor, »ein Kollaborateur des Kapitals gegen die Gewerkschaft« zu sein. In seiner Angst bemühte sich Miraglia zu argumentieren. Er zeigte auf die kommunistischen Zeitungen Il manifesto und L’Unità auf seinem Schreibtisch, er verwies auf sein großes soziales Engagement. Es half nichts: Die beiden fesselten erst den Sohn und die ebenfalls herbeigeeilte Ehefrau im Flur, dann Miraglia, den sie dazu noch knebelten und auf ein Bett zwangen. Als er da lag, schossen sie ihm mitten ins Bein. Ein Verbrechen, wie von faschistischen Sadisten begangen. Aber es waren Mitglieder einer linken Terrorgruppe, die sich Prima Linea nannte.
    Einen der Radikalsten meines Gymnasiums sah ich bei der Bundeswehr wieder. Er wollte sie unterwandern, den Dienst an der Waffe lernen, um bei der kommenden Revolution damit umgehen zu können.
    Für mich war der Gang zur Bundeswehr die wichtigste und für mein eigenes Leben vielleicht sogar folgenreichste Wert-Entscheidung, die ich je zu treffen hatte. Damals musste jeder, der den Wehrdienst verweigern wollte, seine Gründe vor obskuren staatlichen Kommissionen darlegen und begründen. Wer sich dort als Pazifist bekannte, sah sich in der Regel der Frage gegenüber, was er denn tun wolle, wenn er mit seiner Freundin im Wald spazieren gehe und jemand wolle das Mädchen mit vorgehaltener Waffe vergewaltigen – ob er dann auch noch gewaltlos bleibe?
    Pazifismus kam für mich aber ohnehin nicht infrage. Wir lebten nicht weit von der Zonengrenze entfernt, und zu meinen eindringlichsten Kindheitserinnerungen gehören die sonntäglichen Spaziergänge an dieser Grenze, irgendwo in der Nähe von Hornburg, Jerxheim, Schöningen oder Helmstadt, bei denen ich immer darüber nachgrübelte, wie das um Himmels willen wohl sein müsste: da drüben zu leben und nicht hierher zu können, überhaupt nicht einfach irgendwohin reisen zu können – sondern eingesperrt zu sein.
    Ich war von der Wichtigkeit der Bundeswehr überzeugt. Ich verpflichtete mich sogar freiwillig für eine Dienstzeit von fast zwei Jahren, weil ich dachte, dass man für seine Überzeugungen Opfer bringen müsste und dass man, wenn man schon ein solches Opfer brachte, doch auch ein wenig mehr Geld dafür bekommen sollte als ein einfacher Wehrpflichtiger erhielt.
    Dann war ich tief erschüttert, als ich zum ersten Mal eine Maschinenpistole in der Hand hielt. Wochenlang beschäftigte mich die Frage, ob ich damit wirklich würde auf Menschen schießen können. Ich beschloss, dass ich es können würde, wenn es sein müsste.
    Die Jahre als Soldat wurden die schlimmsten meinesLebens. Ich hasste alles. Das frühe Aufstehen, die idiotische Strammsteherei, den Spieß, der freitags die Länge der Haare prüfte und einem, wenn man nicht rechtzeitig beim Friseur gewesen war, das freie Wochenende strich, und vor allem den Suff, den abendlichen Ordonnanzdienst im Kasino, wenn volltrunkene Feldwebel in den Mülleimer unter der Getränketheke pissten und sich beim Absingen dämlicher Panzersoldatenlieder in den Armen lagen.
    Ich stand einmal nach einem solchen Abend – da war ich 19 – sehr spät immer noch fassungslos zu Hause in der Küche. Mein Vater sagte hilflos, im Krieg passierten viel schlimmere Dinge. Meine Mutter weinte.
    Ich dachte sehr ernsthaft, ich müsste dazu beitragen, mein Land und sein Grundgesetz zu verteidigen. Aber das hier hasste ich jeden einzelnen Tag.
    1984 saß ich in einem Pariser Hotelzimmer und wartete auf einen Anruf, der für halb vier am Nachmittag angekündigt war.
    Eine junge Frau meldete sich, pünktlich

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