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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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Im Ausland, wo auch immer, und das mit Leib und Seele. Mein Zustand allein war der Grund, warum ich raus bin aus der Bundeswehr. Ich wollte niemals ein Krüppel sein in Uniform und mit einem Mitleidsbonus im Dienst bleiben. Jeden Tag die gesunden Soldaten sehen. Und denen dann noch zackig sagen müssen: ›Du pass mal auf, wenn du bei der Bundeswehr was werden willst, dann geh erstmal raus auf die Aschenbahn und lauf 3000 Meter. Und in 13 Minuten bist du wieder da.‹ Vor dem Anschlag hätte ich das den Rekruten locker vormachen können – ich bin oft freiwillig mitgelaufen, damit der Rekrut motiviert ist und es schafft. Aber jetzt? Ohne Beine? Irgendwann dreht sich irgendein junger Soldat dann mal um, wenn ich einen Befehl gebe und sagt: ›Was will denn der Krüppel ?‹ Die nächsten fünf Jahre lang wissen alle noch meine Geschichte,
wer ich mal war, was ich dargestellt habe im aktiven Dienst. Später dann bin ich nur noch der Afghanistankrüppel, der sein Gnadenbrot bekommt. Dann sitze ich in irgendeinem Kämmerchen und kann mich wegen meiner Phantomschmerzen auf keine Arbeit konzentrieren.
    Wenn man mich fragt, ob es das wert war, für Afghanistan und den Frieden hier beide Beine zu verlieren, kann ich nur sagen – kein Verlust eines Beins, eines Arms oder auch nur eines Fingers ist es wert. Aber ehrlich, ich habe mir diese Frage nie gestellt, sie hat sich nie gestellt – ich hatte schließlich auch gar nicht die Wahl, um meine Beine zu feilschen. Wenn ich infrage stellen würde, was ich getan habe, dann hätte ich meinen Kampf verloren und mein Opfer wäre umsonst gewesen. Ich habe alles freiwillig gemacht und bin von niemandem gezwungen worden. Der Entschluss, die Bundeswehr zu verlassen, stand deshalb auch am Ende eines langen Prozesses, der mich sehr viel Kraft gekostet hat. Ich hatte lange Gespräche mit meiner Frau. Ich hatte lange Gespräche mit Tino und mit meinen Kameraden. Dann war klar: Ich wollte kein Soldat mehr sein. Die Klappe war gefallen, wie nach dem Ende eines Films. Jetzt kommt ein neuer Film und da spielt die Bundeswehr keine Rolle mehr. Ich habe für diese Land viel gegeben – jetzt will ich nur noch für meine Familie da sein.«
    Freunde fragen Stefan Deuschl manchmal, was er sagen wird, wenn seine eigenen Söhne eines Tages zur Bundeswehr wollen. »Ich werde ihnen keinen Rat geben. Ich glaube, dass ich mit den beiden gar nicht drüber reden muss – sie haben selbst miterlebt, was die Vorteile und die Nachteile des Soldatenberufs sind. Um es hart zu sagen: Sie schauen mich jeden Tag an und wissen, der Papa war Soldat und jetzt hat er keine Beine mehr. Sie können ihre Entscheidung absolut selbst treffen und ich würde es akzeptieren, wenn sie zur Bundeswehr gehen würden – so wie ich das damals für mich entschieden habe.«

    Violetta sieht das ganz anders; sie würde immer darauf hinwirken, dass Robin und Henry nicht zur Bundeswehr gehen: »Ich möchte, dass meine Söhne wissen: Sie haben nur ein Leben und das ist wertvoll. Sie sollten es nicht für einen Beruf – und die Bundeswehr ist ein Beruf, die sehr gefährlich sein kann – aufs Spiel setzen. Für nichts und niemanden. Ich möchte, dass meine Söhne das immer klar überlegen und ich würde versuchen, sie zu fragen: ›Hast du daran gedacht, dass du vielleicht ins Ausland gehen musst? Dass du vielleicht auf Menschen schießen musst – und sei es auch nur, um dich zu verteidigen? Hast du daran gedacht, was dein Vater erlebt hat?‹ Dass sich Stefan damals anders entschieden hat und zur Bundeswehr ging, habe ich immer akzeptiert. Ich habe ihn mit wirklich großen Opfern immer unterstützt und bin diesen Weg immer mitgegangen. Noch einmal möchte ich diese Zeit nicht durchmachen. Ich glaube, unsere Familie hat bereits ein großes Opfer gebracht für unsere Gesellschaft – jetzt müssen andere auch ihren Teil beitragen.«
     
    Der Anschlag hat uns alle verändert. Das Leben, so scheint es mir heute, besteht aus lauter einzelnen Ereignissen, die man nicht steuern kann. Der eine füllt seinen Lottoschein aus, macht ohne Nachzudenken sechsmal ein Kreuz im richtigen Kästchen – der andere geht genau in der falschen Sekunde über die Straße und wird überfahren oder in die Luft gesprengt. Es ist alles Zufall. Oder Fügung? Schicksal? Wir führen nicht Regie in diesem Film. Vio und Stefan, Tino und ich haben deshalb aufgehört, uns den Kopf über die Zukunft zu zerbrechen. Wir leben damit heute sorgloser und freier.
    Am 30.

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