Wofuer wir kaempfen
Anschlag von Peter Struck übernommen hatte und jetzt zum ersten Mal bei Auslandeseinsätzen verletzten Soldaten Mut zusprach. Er erinnert sich heute noch gut an diesen Besuch: »Der Weg in das Krankenzimmer
von Stefan Deuschl und Tino Käßner war ein sehr bedrückender Moment. Ich habe natürlich versucht, mich innerlich auf ein solches Treffen mit schwer verwundeten Soldaten einzustellen – aber darauf kann man sich nicht vorbereiten, da muss man spontan und mit dem Herzen reagieren. Sie haben es mir leicht gemacht, weil sie mir das Gefühl gaben, dass sie positiv überrascht waren und dass ich willkommen war. Solche Besuche oder bei den Trauerfeiern vor die Angehörigen zu treten – das waren mit die schwersten Stunden in diesem Amt. Es war unterschwellig die tägliche Sorge, dass wieder etwas passiert und wir gefallene Soldaten zu beklagen haben. Das ist ein großer seelischer Druck, der mit diesem Amt einher geht. Bei den Trauerfeiern kam immer große Anteilnahme aus der Bevölkerung. Unsere Gesellschaft wird ärmer und kälter, weil es immer weniger Menschen gibt, die bereit sind, sich für die Allgemeinheit einzusetzen und zu engagieren. Und das ist der Punkt, wo auch wir in der Politik nicht nur anerkennen müssen, sondern auch engagiert dafür werben müssen, dass solche Opferbereitschaft auch wieder als Wert in unserer Gesellschaft verankert wird. Es war damals zu Beginn des Afghanistan-Einsatzes deshalb sicher die falsche Entscheidung, nur dosiert und ohne hässliche Bilder die Bevölkerung über den Einsatz in Afghanistan zu informieren und zum Beispiel nicht einmal die Namen und die Einheit der Toten zu nennen. Das lag an einer Informationssperre des Verteidigungsministeriums und ich habe diese Praxis umgehend geändert.
Ich war oft in Kabul, etwa bei Schuleinweihungen, und habe die Fröhlichkeit, den Optimismus und die Zukunftshoffnung der Kinder dort erlebt – auch der Mädchen, die vorher dort überhaupt keine Chance hatten – und von daher kann ich nur sagen, dass ich unterstreiche, wenn Stefan Deuschl und Tino Käßner heute sagen, dass die Kinder die Zukunft Afghanistans sind.
Wenn ich auf meinen Veranstaltungen den Leuten erzähle, was sich alles in Afghanistan positiv verändert hat, dann kommen die Leute zu mir und fragen: Warum berichtet das niemand? Es hat mich schon sehr nachdenklich gemacht, warum letztlich nur das Negative berichtet wird. Ich habe viele Journalisten auf meine Reisen mitgenommen. Wir sind mit denen in die Schulen gegangen, wir haben Videos, DVDs verschickt – aber es ist darüber nicht berichtet worden, das ist die Wahrheit. Die fehlende Anerkennung ist etwas, was unsere Soldaten immer wieder bedrückt. Wir haben natürlich alles versucht von Seiten der militärischen Führung und von Seiten der politischen Führung, damit besser wahrgenommen wird, was da in Afghanistan geschieht. Der Großteil unserer Bevölkerung bekommt von Afghanistan nur etwas mit, wenn dort ein Bombenanschlag passiert und es Tote gibt. Alles, was an positiver Wirkung dort geleistet worden ist, ist letztlich nicht zu unserer Bevölkerung vorgedrungen.«
Zu Hause
Wochen später, kurz vor Weihnachten 2005, wurden Stefan und Tino aus Koblenz in die Unfallklinik im bayerischen Murnau, der Heimat ihrer Kompanie, verlegt. Mit den langen, anstrengenden Fahrten nach Koblenz zu Tino war es vorbei. Langsam würde wieder ein bisschen mehr Normalität in unser Leben zurückkommen. Die Heimkehrer waren überwältigt von der ungeheuren Hilfsbereitschaft, die in der Bevölkerung herrschte, und zwar nicht nur von Seiten der Kompanie, unserer Freunde, Nachbarn und Bekannten, sondern selbst der Kolpingverein unterstützte uns durch den Verkauf von Glühwein auf den Weihnachtsmärkten und das Sammeln von Spenden. Einmal steckte eine alte Dame 500 Euro aus ihrem Sparstrumpf in die Spendendose. »Vom Christkind!«, sagte sie auf die Frage, wer denn da gespendet habe. Nicht einmal ihren Namen wollte sie nennen.
Handwerker aus dem Ort halfen den Deuschls beim Ausbau ihrer behindertengerechten Wohnung. Die Schule von Henry und Robin hatte einen Weihnachtsbasar aufgebaut und der Eishockeyverein SC Riessersee hat ein Benefizspiel veranstaltet, zu dem über 2000 Zuschauer kamen. Eishockeylegenden, allen voran Peppi Heiß – Torwartlegende mit 140 Länderspielen für Deutschland und wie wir Garmisch-Partenkirchner –, Erich Kühnhackl, Rosi Mittermaier, Christian Neureuther, nahezu alle Menschen, auch die weniger
Weitere Kostenlose Bücher