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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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Tino wissen würde, ich bin da.
    Die Ärzte wollten nach dem Gespräch wieder in die Klinik zurück, denn Tinos und Stefans Zustand war noch so kritisch, dass die Ärzte die Nacht in ihrer Nähe verbringen würden. Sie versprachen uns, dass wir die beiden noch sehen könnten, sobald ihre Wundversorgung abgeschlossen sei, egal wie spät es würde. Man werde sich dann umgehend melden.
    Aber Vio und ich, wir alle wurden auf eine weitere harte Probe gestellt. Als wir gerade Richtung Krankenhaus losfahren wollten, kam ein Anruf von der Intensivstation, dass es noch dauern würde. Bei Stefan hatten sich Komplikationen eingestellt. Vielleicht würde erst am kommenden Morgen ein Besuch möglich sein. Es war ein Gefühl großer Enttäuschung. Wir sind dann zum Freund von Tinos Schwester gefahren, der in Koblenz eine Wohnung hatte, und haben da versucht, ein bisschen Ruhe zu finden. Obwohl wir alle sehr erschöpft waren, konnte keiner schlafen.
    Um halb drei Uhr morgens habe ich das Warten nicht mehr ausgehalten und zu Tinos Freund Mario gesagt: »Komm, wir fahren jetzt ins Krankenhaus rüber, und wenn ich den Rest der Nacht dort vor der Station sitze – ich bleibe, bis die mich reinlassen. Hier halte ich es nicht mehr aus.« Minuten später klingelte sein Handy: Wir sollen kommen.

    Am Krankenbett
    Um drei Uhr morgens des 16. November 2005 standen wir in der Schleuse zur Intensivstation und traten an Tinos Bett. Ich kann mich noch an jede Sekunde, jeden Augenblick erinnern. Ich war auf alles und nichts gefasst. Eine Intensivstation hat eine ganz besondere Atmosphäre. Kaum einer spricht. Kein Klappern von Geschirr, keine lachenden Schwestern. Dafür unendlich viele Apparate, die ständig piepen und über Drähte und Schläuche Daten aufnehmen und Medikamente durch den Körper des Patienten schleusen. Wie Marionetten, deren Spieler gerade eine Pause machen, liegen sie da. Es ist kein schöner Anblick, denn fast alle diese Menschen stehen an der Schwelle zwischen Leben und Tod.
    Das Erste, was ich von Tino sah, war sein Gesicht. Seine Haut hatte eine tiefe, lebendige Färbung. Er war braungebrannt, als wäre er aus dem Urlaub zurückgekehrt, und lag unter einer weißen Decke, die durch die gedämpfte Nachtbeleuchtung noch heller strahlte. Um die Augen die weißen Ränder vom Tragen seiner Sonnenbrille. Ein bisschen schmaler das Gesicht und spitzer die Nase, aber kein Zweifel: Es war Tino. Ich habe mich gleich neben ihn aufs Bett gesetzt, seine Wangen gestreichelt. Es war, als ob er schlafen würde. Sein Gesicht hatte einen ganz friedlichen Ausdruck, der Atem schien gleichmäßig zu gehen. In mir machte sich schon so eine Art Jubeln breit. So wie Tino aussah, konnte es nicht so schlimm um ihn stehen. Ich seufzte laut in mich hinein: »Er ist da!«
    Im nächsten Moment, als ich ihm nahe kam, um seine Wangen zu küssen, bemerkte ich diesen Geruch. Ich roch abgestandenen Schweiß, eine Mischung aus Straßenstaub, Benzin und Öl – und den alkoholartigen Dunst der Medikamente und Desinfektionsmittel. Dazu entfaltete sich ein sehr bedrohlicher Gestank einer Explosion. Der widerliche schweflige Geruch nach verbranntem
Pulver, das Tino aus dem Leben bomben sollte, kokelte mir entgegen. Das war Afghanistan. Gerüche sind es, die manchmal für Sekunden eine ganze Welt vor einem ausrollen. Das Unglück war jetzt knapp 36 Stunden her, und plötzlich war es ganz nah bei mir. Ich sah sein Auto, die Straße, den Feuerball.
    Ich bemerkte, dass auch sein Gesicht mit einer leichten Patina aus Staub und Schweiß überzogen war. Genau wie seine Haare war alles von einem leicht gräulich-weißen Film überzogen. Tino hatte einen Transport von über 6000 Kilometern hinter sich. Die Ärzte hatten um sein Leben gekämpft. Da war keine Zeit gewesen, ihn komplett zu waschen. Alles, was heil war an diesem zerfetzten Körper, konnte warten.
    Ich habe Tino angesprochen und in sein Ohr geflüstert, dass er jetzt zu Hause ist und alle da sind. Die Eltern, seine Schwester Heike, die ganzen Kameraden. Dass auch Stefan in Sicherheit ist. Dass er sich keine Sorgen zu machen braucht. Dass wir ihn nicht alleine lassen und ihn jeden Tag besuchen werden. Und dass wir es zusammen schon schaffen werden. Was man so sagt in einer solchen Situation. Ich wollte, dass er meine Stimme hört. Ich habe ihn, soweit das möglich war, in den Arm genommen und ihn geküsst. Ganz vorsichtig und sanft. Dabei rutschte seine linke Hand unter der Decke hervor. Doch statt seiner

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