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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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konnte. Vio bemerkte meinen Konflikt, und ich war erleichtert, als sie einfach sagte: »Antje, das macht doch nichts, dann zünde ich eine zweite für Tino an.«
    Stefans Weg
    Wie sehr Vio – die sogar in diesem Augenblick noch an mich und Tino dachte und auch für ihn gebetet hatte – von Stefans kritischer Situation mitgenommen war, merkte man ihr kaum an. Seit Jahren waren sie und Stefan zusammen; Tino und ich, wir hatten uns ja erst gut zwei Jahre zuvor kennengelernt. Was wir noch vor uns hatten, nämlich ein hoffentlich glückliches Eheleben, darin hatten Vio und Stefan schon lange Jahre Erfahrung. Von Vio erfuhr ich die Geschichte ihrer Ehe und auch einiges über Stefan, das mir klar vor Augen führte, dass bei ihm im Unterschied zu Tino – der immer ein beneidenswert positiv eingestellter und optimistischer Nach-vorn-Schauer war – die Erlebnisse als Soldat im Auslandseinsatz ganz andere Auswirkungen hatten.
    Als Stefan 1987 Soldat geworden ist, dachte noch niemand im Entferntesten daran, dass auf die Bundeswehr ein Einsatz in Afghanistan mit Selbstmordanschlägen, Kampfeinsätzen, Bombardierungen, Toten und Verletzten zukommen würde. Soldat in der Bundeswehr zu sein, das war für Stefan damals
genauso ein Beruf wie Feuerwehrmann, Polizist oder Rettungssanitäter. Nicht die Begeisterung für Waffen und Militär war es, die ihn zu diesem Beruf brachte, sondern es war eine gut überlegte Sachentscheidung, denn bei der Bundeswehr könnte er mit seinem erlernten Beruf als KFZ-Mechaniker die Meisterprüfung machen, die für ihn sonst unerschwinglich gewesen wäre. Dazu kam, dass es in Garmisch für Kinder ganz normal war, mit Soldaten in der Nachbarschaft aufzuwachsen – es gab dort den Stab der 1. Gebirgsdivision, und Soldaten in Uniform gehörten zum Stadtbild und waren ein ganz alltäglicher Anblick.
    Stefan kannte Vio schon seit ihrer Jugend, sie haben aber erst später zusammengefunden – sozusagen Liebe auf den zweiten Blick.
    Vor Stefans erstem Auslandseinsatz im Kosovo hatten sich die Aufgaben der Bundeswehr bereits komplett verändert. Manche seiner Kameraden haben damals gesagt, sie hätten beim Fahneneid doch nur geschworen, unser Vaterland zu verteidigen – und das sei hier, aber nicht in Afghanistan. Stefan widersprach dann immer; nein, sie hätten geschworen, dem deutschen Volke tapfer zu dienen. Und wenn das deutsche Volk – vertreten durch unser Parlament – sagt, wir müssen diesem Land und dieser Bevölkerung helfen, dann ist das Volkes Wille und Soldat ist dein Beruf. Als Polizeibeamter kann ich auch nicht sagen: Oh, da ist ein bewaffneter Bankräuber, da fahr ich mal lieber schnell weg. Oder als Feuerwehrmann: Oh, da brennt’s und das wird mir zu heiß. Stefans Berufsverständnis war immer, mach es ganz oder gar nicht – ein Dazwischen gab es für ihn nie.
    Stefan musste sein Testament abfassen und damals kam zwischen ihm und Vio natürlich auch zur Sprache, was wäre, wenn er verwundet oder gar getötet würde und die Familie allein zurücklassen müsste. Eine Vorstellung, die wohl niemandem behagt,
die man besser schnell beiseiteschiebt. Klar war, dass er sich auf Vio verlassen konnte und sie in seiner Abwesenheit alles bestens im Griff hatte.
    Solche Einsätze bedeuten für Familien immer große Zerreißproben. Schon immer hatten Umstrukturierungen und Versetzungen den jungen Familien alles abverlangt. Die Auslandseinsätze aber waren eine ganz neue Qualität. Doch Stefan konnte schlecht nein sagen, weil er durch die Bundeswehr seinen KFZ-Meister und so viele Zusatzausbildungen und Lehrgänge absolviert hatte, dass er eine Verpflichtung gegenüber seinem Arbeitgeber verspürte. Wenn er draußen in einer zivilen Firma gearbeitet hätte, die ihre Leute für einen wichtigen Auftrag auf Montage schicken muss, hätte er ja auch schlecht sagen können, nein, das mache ich jetzt nicht. Außerdem hatte er als Portepeeunteroffizier Führungsverantwortung und damit Vorbildfunktion. Er war Feldwebel und genau für diesen Job ausgebildet.
    So flog Stefan 1999 in die viertgrößte Stadt Mazedoniens, nach Tetovo, zu seinem ersten Auslandseinsatz. Damals hatte die NATO aufgrund der fortwährenden Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen nach massiven Warnungen an das Milošević-Regime in Belgrad mit Luftangriffen begonnen. Das serbische Militär sollte geschwächt und am weiteren Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung im Kosovo gehindert werden. Die NATO und damit auch die Bundeswehr erhielt

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