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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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Mauern der Gehöfte, totes Vieh und überall diese Hunde. Hunde, die so einen irren Blick hatten; man konnte sich ausmalen, was sie fraßen. Leichengeruch brennt sich in jeden Geruchsnerv und gräbt sich unauslöschlich ins Gedächtnis. Der Gestank von verrottetem Menschenfleisch – überall war Tod, nur Tod. Es war der sprichwörtliche Blick in die Hölle.
     
    Entsprechend hart war die Landung nach Stefans Rückkehr im idyllischen Garmisch-Partenkirchen bei seiner Familie und seiner Frau. Er spürte damals die Gefahr, dass da etwas kaputtgeht in ihm und er war heilfroh, dass da eine Familie war, die ihn brauchte. Die erste Zeit nach diesem Einsatz war er derartig ausgebrannt, dass er tagelang nur geschlafen hat. Mit der Ruhe aber kamen die Erinnerungen und die Albträume und all das Unverarbeitete wieder hoch. Bis zu seinem ersten Einsatz hatte Stefan immer schlafen können wie ein Bär, ein ungewöhnlich guter, sanfter Schläfer. Kein Schnarchen, nur Wärme – einfach gut. Nach seiner Rückkehr waren die Nächte plötzlich sehr unruhig, er fing an zu zucken und zu schreien, Befehle, ganze Verhöre und Telefonate. Reden konnte er nicht über seine Erlebnisse, denn auch bei Stefan war es, wie es bei den Männern und vor allem bei vielen Soldaten immer ist, dass sie denken, es geht von alleine vorbei, es geht schon immer irgendwie weiter. Aber es ging nicht.
    Alles schien anders geworden zu sein, Stefan konnte einfach nicht in den gewohnten, entspannten Alltagstrott seines alten Garmischer Lebens zurückfinden. Und Vio war auch überfordert.
Ihre Arbeit in der Anwaltskanzlei, zwei kleine Kinder, die sie Tag und Nacht auf Trab hielten und laut und umtriebig waren, während der Mann Ruhe und Entspannung brauchte … Vio war ausgelaugt und müde. Sie hatte erwartet, er kommt nach Hause und hilft – aber er kam nach Hause und sagte: »Hilf mir!« Und dann stehen beide da und sagen: »Ich kann nicht mehr!« Und schon ist es da, das Beziehungsproblem.
    Schmerzhafte Entfremdung
    Die lange Abwesenheit im Auslandseinsatz stellt jede Beziehung auf eine harte Probe. Es war wie in so vielen Soldatenehen: Vio war die Aufgabe zugefallen, im Alltag alles alleine zu entscheiden, ohne ihren Mann zu fragen, denn es ging nicht anders. Als Stefan dann in seine alte Lebenswelt zurückkehrte und sie gemeinsam den Faden wiederaufnehmen sollten, als wäre er nie fort gewesen, klappte das nicht. Wo Stefan hergekommen war, hatten die Soldaten Dinge erlebt, die sie unverarbeitet als einen riesigen Packen mit nach Hause geschleppt hatten. Dieser Packen stand auch zwischen Vio und Stefan und blockierte das ganze Familienleben. Da war ein Fremder zurückgekommen und prallte natürlich auf eine fremde Frau, die sich in den sechs Monaten Alleinsein eingerichtet hatte in einem Leben ohne Mann, mit ihrem Beruf, den Kindern und der Einsamkeit. Die Frau hatte sich organisiert, sich Hilfe von außen geholt, ihren Alltag so gestaltet, dass sie mit der Trennung auf Zeit zurechtkommt – und auf einmal kommt da einer zur Tür herein und sagt: »Du, ich spiel jetzt wieder mit!« Viele Beziehungen von Soldaten haben diese Veränderungen im Wesen des Lebenspartners und dieses Auseinanderdriften der Lebenswelten nach dem Einsatz nicht verkraftet.
    Vor Stefans Einsätzen sind Stefan und Vio immer gern zusammen über den Markt in Garmisch-Partenkirchen geschlendert
und haben für das Wochenende eingekauft. Überall traf man Freunde und Bekannte, hier ein bisschen ratschen und Neuigkeiten erfahren, dort Verabredungen treffen zum Sonntagsspaziergang – das kleine Garmisch-Partenkirchen kann so friedlich und beschaulich sein, wenn es nicht gerade um Olympia geht. Der Trubel in den überfüllten Cafés. Die schönen Stände mit frischem Obst und Gemüse, Bauernkäse, frischer Milch und Butter und Schinken aus den Bergen – freundliche, gut gekleidete Menschen. Ein Bild des Friedens und des Wohlstands eben.
    Doch Stefan kam aus dem Krieg und hatte sich niemandem öffnen können, dass er das, was er im Kosovo erlebt hatte mit seiner alten Heimat nicht mehr in Einklang bringen konnte. Er kannte jetzt beide Seiten – Elend und Krieg, Frieden und Überfluss. Einmal hatten Albaner sie zu ihrer Dorfmetzgerei geführt, ein zusammengekrachter VW-Bus, in dem geschlachtet und verkauft wurde. Da hingen aber keine Schafe, keine Ziegen oder gar ein Rind am Wagen – sondern Ratten, Katzen und tote Hunde, übersät von Tausenden Fliegen, die in der Sommerhitze ihre Eier auf

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