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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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gewesen, an den ich heute noch gerne zurückdenke. Denn in dieser Sekunde ist dieses Gefühl entstanden, das uns viel später zusammenführen sollte. Tino wusste
da vielleicht noch nicht, ob aus dem Funken ein Feuer werden sollte – ich schon. Ich suchte nun nach Kerosin.
    Am Donnerstagabend vor der Abreise waren wir alle noch mal in unserer Pizzeria. Dort hat es dann richtig gefunkt. Es lag Abschiedsstimmung über unserer Gruppe. Ich spürte Wehmut und wusste nicht, ob ich meine Gefühle für Tino wirklich offen zulassen sollte. Zum einen steckten mir noch die Erfahrungen der Bonner Zeit in den Knochen, zum anderen standen Tino und ich vor einem monatelangen Auslandseinsatz, der neue Eindrücke, neue Freundschaften bringen würde, die alles infrage stellen konnten. Der Abflugtermin stand bei uns beiden für die kommende Woche fest – wir würden überhaupt keine Zeit haben, unsere Liebe zu festigen. Zudem hatten wir uns ja noch nicht einmal geküsst. Alles wehrte sich in mir, jetzt noch auf die Schnelle etwas übers Knie zu brechen. Ich kannte ihn ja auch gar nicht wirklich, sagte ich mir, und wer weiß, ob Mr Sonnyboy nicht nur mit meinen Gefühlen spielte. So war die Situation ungelöst, es machte sich Casablanca-Stimmung breit: Entweder war das Seminar der Beginn einer wunderbaren Freundschaft – oder definitiv das Ende des Films. Wir würden zurück in die Kaserne gehen und uns schlafen legen, und ich würde ganz schlecht schlafen. Auf dem Rückweg vom Abendessen wurden wir beide immer langsamer, haben uns in die Dunkelheit zurückfallen und die anderen vorgehen lassen. Um die Lichter der Straßenlaterne kreisten Nachtfalter. Ich dachte, wenn er jetzt nichts sagt, müssen wir uns beeilen, weil wir sonst den Anschluss zu den anderen verlieren. Wir brauchten noch den ganzen Weg zum Kasernentor und den ganzen Weg zu meiner Unterkunft. Dort gab’s den ersten Kuss. Mehr nicht. Mr Sonnyboy war nämlich ganz schön schüchtern. Für mich war dieser Kuss ein Versprechen, dass da mehr möglich ist, dass ich endlich jemanden gefunden habe, der auf meiner Wellenlänge liegt. Am nächsten Tag hat er mir dann mein Gepäck
zum Wagen geschleppt – einen dieser schweren Leinensäcke der Bundeswehr. Diesmal habe ich zugelassen, dass mir jemand hilft. Dann haben wir uns einen sehr langen Kuss gegeben, und dann ist er seiner Wege gefahren, ich bin meiner Wege gefahren – und mir war die ganze Rückfahrt nach Bonn über nicht klar, ob wir uns noch mal wiedersehen würden oder ob es das gewesen war. Doch es ging weiter.
    Die Kraft der Anziehung
    Zunächst saß ich wieder mit Kater Zwerg in meiner kleinen Zweizimmerwohnung am Waldrand südlich von Bonn – viel zu weit weg, um schnell mal zu Tino nach Murnau zu fahren. Ich sehnte mich nach der Pizzeria in Rothenburg an der Fulda und den Leuten aus dem Seminar. Und danach, dass mich jemand aus Murnau anruft. Kater Zwerg hat mich interessiert mit seinen hypnotischen Augen angeschaut, und ich habe mit meinen hypnotischen Augen das Telefon angeschaut. Irgendwie kam ich dann in eines meiner mentalen Selbstgespräche mit Kater Zwerg, und der hat mir dann geraten: »Jetzt ruf doch deinen Tino endlich mal an – vielleicht schaut der genauso aufs Telefon wie du!«
    Die nächsten Tage habe ich jeden Abend mit Tino telefoniert. Ich stand unmittelbar vor meinem Bosnieneinsatz, und er packte seine Seekiste für Afghanistan. Tino kann gut zuhören und es waren sehr schöne, intensive Gespräche – trotzdem blieb ich misstrauisch, ob ich wirklich den Mann gefunden hatte, nach dem ich mich so gesehnt hatte. Meine Gefühle waren in Aufruhr.
    Natürlich hatte ich meiner Mutter Ilona am Telefon erzählt, dass ich verliebt war. Vielleicht hätte ich ihr auch nicht gleich erzählen dürfen, dass Tino so gut aussah, dass er sich immer wieder als Modell für Feinrippunterhosen von Marken wie
Bruno Banani ein sattes Zubrot verdient hatte. Ich habe die Fotos heute noch – er sah wirklich hammermäßig aus. Meine Mutter nahm das gelinde gesagt reserviert auf und warf umgehend das komplette Tochterwarnprogramm an: »Kind, verrenn dich nicht!«, war noch das Harmloseste, was ich mir anhören musste. Für meine Mutter war Tino nur eine Soldatenromanze, die wie eine Signalpatrone nach kurzer Zeit wieder verglühen würde – und in meinem Leben das nächste Trümmerfeld hinterlassen könnte. Auch ich selbst war nicht gerade scharf darauf, mich wieder verletzen zu lassen. Aber man hofft halt immer auf den

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