Wofuer wir kaempfen
Richtigen.
Meine Mutter hatte eben ihren Beschützerinstinkt, und ihre besorgten Worte zeigten langsam eine zersetzende Wirkung. War es nicht wirklich so, dass ich Tino kaum kannte? Was, wenn sein freundliches, ruhiges Wesen nur eine Maske war? Ich wollte die Probe. Am Wochenende würde Tino zu seinen Eltern nach Chemnitz fahren – und ich wollte nach Dresden kommen, um mich zu verabschieden. Das würde Tränen geben. Abschied von den Eltern und Abschied von einem Mann, der noch nicht einmal Zeit hatte, mein Mann zu sein.
Das alles waren meine Gedanken, als ich auf dem Weg von Bonn nach Dresden die Autobahnabfahrt nach Chemnitz nahm. Es kam zu einem sehr romantischen Treffen mit Tino in der örtlichen McDonald’s-Filiale. Wir haben Kaffee getrunken. Normalerweise wäre es das gewesen bei anderen Frauen. Wer kommt schon auf die Idee, sich bei McDonald’s zu treffen? Aber mit Schmetterlingen im Bauch spielt das keine so große Rolle. Ich wusste jetzt, trotz lauwarmem Kaffee aus Pappbechern: Tino ist der Richtige – aber ich zweifelte noch, ob diese frische Liebe das Kommende überstehen würde. Wir haben uns für den nächsten Tag am Jagdschloss Moritzburg verabredet, 20 Autominuten vom Dresdner Stadtzentrum entfernt. Mit diesem Schloss verbinde ich wunderschöne Jugenderinnerungen.
Hier habe ich viele glückliche Sommertage verbracht, im Schloss und in den weitläufigen Anlagen und Wäldern im Landschaftsschutzgebiet Friedewald. Im Winter war ich hier mit der ganzen Familie Schlittschuhlaufen auf den schönen Teichen rund um das Schloss, und immer hat diese schöne Landschaft, diese Verbindung aus gestalteten Gärten und ursprünglicher Natur, mir Ruhe und Kraft gegeben. Alles hier ist Erinnerung an meine glückliche Kindheit, die bis dahin schönste Zeit in meinem Leben. Genau hier war der Ort, wo ich Tino wiedersehen wollte. Wir haben uns auf der Schlossauffahrt mitten in den Touristenmassen in die Arme geschlossen und sind nach einem langen Spaziergang direkt am Schloss im Schwanenteich baden gegangen. Es war der perfekte Sommertag, sehr warm – genial schön. Nach dem Mittagessen sind wir dann zu meinen Eltern gefahren. Ich wollte unbedingt, dass meine Mutter Tino in Augenschein nimmt. Und das tat sie dann auch. Sie hat mir erzählt, was sie bei diesem ersten Treffen in ihr vorging: »Ich war wirklich skeptisch und bereit, diesem Mann eine Abfuhr zu erteilen, wenn ich den Eindruck haben würde, dass da Unheil für meine Tochter droht. Doch als er mit Antje in der Haustür stand, dachte ich nur: ›Das könnte was werden.‹ Und als er wieder wegfuhr: ›Hoffentlich wird das was!‹ Tino war offen, ehrlich, bodenständig, intelligent. Er war wirklich besorgt um die Antje, und gut ausgesehen hat er ja auch. Die Mutter in mir war wieder beruhigt: Tino war ein Goldstück!«
Bis dahin hatten Tino und ich uns nur geküsst, umarmt, gestreichelt – wie verliebte Teenager, mehr war da nicht. Wir beide gingen sehr bedächtig vor, weil wir selbst spürten, dass wir Zeit brauchen würden, um nicht unbedacht etwas zu zertrümmern, was sich gerade so wundervoll entwickelte.
Das zweite und dritte Treffen folgten, und ich fuhr schließlich doch zu Tino nach Murnau. Es war für mich völlig klar, dass
ich ihn unbedingt noch mal alleine für mich haben wollte, bevor es losging, einfach, um mich meiner Gefühle zu vergewissern. Ich wollte Klarheit haben, bevor ich für drei Monate in Bosnien und er für vier Monate in Kabul verschwinden würde. Sechs Monate sind eine lange Zeit, wenn man auf den Falschen wartet. Sechs Monate Trennung können selbst gute Beziehungen ruinieren. Tino und ich kannten uns ja noch nicht so intensiv, dass da eine Basis gewesen wäre. Ich wollte ihm deshalb auch etwas von mir mitgeben, ein paar Erinnerungen an gemeinsame Tage wie in Moritzburg, damit er mich nicht so schnell vergessen würde. Und so bin ich von Dresden nach Murnau gefahren.
Murnau
Murnau ist ein kleiner oberbayerischer Ort am Fuße der Ammergauer Alpen, der so schön in die Natur eingebunden ist mit dem Staffelsee und seinen Moorlandschaften, dass sich hierher die Maler der Künstlergruppe Blauer Reiter in den Sommern vor dem Ersten Weltkrieg zurückgezogen haben. Um zu leben, zu lieben und zu malen. Der Sommer 2003 war unser Sommer, bevor es an »die Front« gehen würde.
Die drei Tage in Bayern waren sehr intensiv und trotzdem viel zu kurz. Ich merkte auch bei Tino, dass es ihm so ernst war, dass ich weiter Vertrauen zu ihm
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