Wofuer wir kaempfen
nicht von äußeren Zwängen aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen, weil das meine Freiheit eingeschränkt hätte. Die Freiheit, die ich in meiner Jugend in der Natur erfahren habe, war für mich ein hohes Gut, das ich mir unbedingt bewahren wollte.
1994 bin ich bei den Feldjägern in die Kaserne eingerückt und habe meinen Wehrdienst abgeleistet. Mir hat die Zeit viel Spaß gemacht. Klare Strukturen, klare Spielregeln, geregelte Dienstzeiten, und außerdem fand ich hier Vorgesetzte, die sich um mich kümmerten und mir zeigten, dass ich ihnen auch als Mensch etwas wert bin – und nicht nur eine Kalkulationsgröße für mehr Gewinn. Ich wurde gefördert und in den zwölf Monaten Grundwehrdienst zum Unteroffizier der Feldjäger ausgebildet. Nach dem Ende der Wehrdienstzeit dachte ich immer noch nicht daran, Berufssoldat zu werden. Ich versuchte, wieder als Installateur Fuß zu fassen, aber auf den Baustellen
wurde der Ton immer rauer und eine Pleite jagte die nächste. Ich wechselte dauernd zwischen Anstellung, Pleite und Arbeitslosigkeit. Ich fand keinen längerfristigen Job, immer nur für kurze Zeit. Meine berufliche Zukunft als Installateur kam mir schließlich wie ein Albtraum vor. Und so stellte ich 2000 den Antrag auf Wiedereinstellung bei der Bundeswehr. Ich verpflichtete mich zunächst auf vier Jahre, doch schon ein Jahr später verlängerte ich auf acht Jahre und entschloss mich 2003, noch einmal zu verlängern – auf zwölf Jahre – und beantragte gleichzeitig meine Übernahme als Berufssoldat.
Meine Eltern waren zwar nicht begeistert von meiner Idee, fest zur Bundeswehr zu gehen, aber sie haben auch gesehen, dass in meinem Beruf als Installateur die Aussichten für mich alles andere als rosig waren und ich bei der Bundeswehr einen sicheren und gut bezahlten Beruf anstrebte, der mich auch Spaß machte.
Bei mir wie bei vielen anderen war es also nicht die Begeisterung für Waffen, Marschieren und Disziplin, dass wir zur Bundeswehr gegangen sind – sondern in erster Linie die Suche nach einem Platz im Leben, nach einer Perspektive. Die Bundeswehr war mein Beruf, und diesen Beruf habe ich mit sehr viel Freude und Einsatzbereitschaft ausgeübt.
In den Anforderungen für Feldwebelanwärter bei den Feldjägern wurde damals schon ganz klar präzisiert, dass ich auch zu Auslandseinsätzen abkommandiert werden würde. Neben selbstsicherem und korrektem Auftreten, hoher Teamfähigkeit und besonderer körperlicher Leistungsfähigkeit waren Tropentauglichkeit, Auslandsverwendungsfähigkeit und die Bereitschaft zu internationalen Einsätzen gefordert. Ich wusste, was auf mich zukommt. Dass ich mal selbst Opfer werden würde, daran habe ich zu keiner Sekunde gedacht.
Ich absolvierte die Ausbildung zum Feldjäger-Feldwebel und die Speziallehrgänge ›Personenschutz‹ und ›Militärpolizeiliche
Aufgaben im Ausland‹. Dazu kamen die Ausbildung zum Sportleiter Bundeswehr und Lehrgänge zum Ausbilder waffenloser Kampf und Jägereinsatztechnik. Bei meiner feierlichen Vereidigung im Juni 2000 in der Werdenfelser Kaserne in Murnau habe ich nach Paragraf 9 des Soldatengesetzes bei Fackelschein folgendes Gelöbnis abgelegt: ›Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.‹
Ein Schwur ist ein Schwur. Den Zusatz am Schluss ›so wahr mir Gott helfe‹ habe ich als Mensch ohne Religionszugehörigkeit weglassen dürfen. Nun hatte ich einen Rahmen gefunden, der mir Halt gab, mit Vorgesetzten, die mich förderten und schätzten – eine echte Perspektive für meine Zukunft, mit der ich mich wohl fühlte. Ich war jetzt Zeitsoldat auf vier Jahre und wurde nach Murnau abkommandiert. Was die uneingeschränkte Mobilität bedeuten sollte, würde ich bald mit allen Konsequenzen erfahren.«
Soldatenliebe – Antje lernt Tino kennen
Wie ich fand auch Tino bei der Bundeswehr einen sicheren Arbeitsplatz und bekam die Chance, sich persönlich zu entwickeln und einen sinnvollen Dienst für die Allgemeinheit zu leisten.
Ich denke oft zurück, wie das alles damals war, dieses Gefühl des Umbruchs und die Sehnsucht nach einem ganz neuen Leben, der Ausbruch aus der Eintönigkeit in Bonn und diese Erwartung, dass irgendetwas Neues passieren wird, ohne dass man ahnt, was das ist. Mitten in diesem verwirrenden Gefühlschaos trat Tino in mein Leben. Ich sah ihn zum ersten Mal in Rothenburg an der Fulda im Seminarraum der Alheimerkaserne, wo die
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