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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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der bald mitbekommen hatte, wie wichtig dieses Lied für uns geworden war, schrieb einen rührenden Brief an die Plattenfirma von Xavier Naidoo und schilderte, wie Tino jeden Tag zu diesem Lied seine Übungen machte. Er fragte den Star , ob er nicht zu einem Besuch ins Krankenhaus kommen könnte, um Tino und Stefan zu motivieren. Völlig verrückt, aber es hätte fast geklappt. Wir rannten offene Türen ein, denn eigentlich wollte Xavier Naidoo schon 2005 vor Bundeswehrsoldaten ein Konzert in Kabul geben – und hatte genau wegen des Selbstmordanschlags auf Tino absagen müssen, weil die Lage zu gefährlich erschien. Naidoo hatte in meinem damaligen Feldlager Rajlovac 2004, ein Jahr nach meinem Einsatz in Bosnien, ein Konzert gegeben und,
obwohl er ein erklärter Kriegsgegner war und Zivildienst geleistet hatte, auf Konzerten immer wieder seine Lieder den Soldaten im Auslandseinsatz gewidmet.
    Erst im Juni 2010 kam dieses geplante Konzert in Afghanistan zustande, und Xavier Naidoo hat in Kunduz und Mazar-i Scharif vor den deutschen ISAF-Kräften gesungen. Bei seiner Rückkehr erzählte Naidoo von seinen vielen Gesprächen mit den Soldaten und Soldatinnen, von für ihn sehr interessanten Begegnungen, bei denen ihm selbst immer klarer geworden sei, in was für einem Paradies wir in Deutschland leben und dass es lohnt, sich dafür einzusetzen: »Es war eine sehr intensive Zeit, und ich würde es immer wieder machen. Ich würde jedem Künstler in Deutschland empfehlen, die Truppen zu unterstützen, auch wenn man gegen den Krieg ist. Die Soldaten haben sich diesen Kriegsschauplatz nicht ausgesucht, die machen das, weil wir ihnen sagen, die sollen dahin. Von der Disziplin, mit der die jungen Menschen da unten auf engstem Raum ihren Dienst tun, können wir uns noch eine Scheibe abschneiden.« Zum Schluss sagte er noch, die Deutschen sollten aufrichtiger sein, viele Menschen hätten lange nicht wahrhaben wollen, dass es sich um einen blutigen Einsatz handelt. Das hat uns damals sehr gefallen.
    So fühlten wir uns mit diesem Sänger und seinem Lied sehr stark verbunden. Die handsignierte CD, die er uns geschickt hat, halten wir in Ehren. »Dieser Weg wird kein leichter sein«, dieses Lied war damals Tinos Treibstoff, mit unglaublicher Zähigkeit wieder und wieder laufen zu üben, und es geht uns heute noch sehr nahe. Wann immer wir es hören, sind wir sofort wieder in der Situation von damals mit allen Höhen und Tiefen, Hoffnungen und Rückschlägen, ich höre wieder die Geräusche der Beatmungsgeräte, das Fiepen, habe den Geruch von Medizin, Äther und Medikamenten in der Nase. Damals war es ein absoluter Pusher zum Mutmachen, dass wir es packen
– heute tut mir der Song weh, weil er die Gefühle von damals wieder aufreißt und mich in die Zeit zurückwirft, als sich das Leben für uns alle so tiefgreifend verändert hat.
    Der Lohn der Anstrengung
    Als eine Woche später seine Eltern kamen, war Tino ziemlich aufgeregt. Ich habe sie am Aufzug abgefangen und gebeten, noch einen Moment zu warten: »Wir haben eine Überraschung für euch!« Tino hatte damals einen Wagen, bei dem er sich unter den Achseln einhängen und stehen konnte. So gesichert kam er aus dem Zimmer und konnte seinen Eltern tatsächlich ohne fremde Hilfe entgegengehen – nur sieben Tage, nachdem er aus dem Koma erwacht war.
    Als Tino dann um die Ecke kam, dachte ich einen Moment, seine Mutter würde vor Rührung zusammenbrechen. Sie hat aufgeschrien, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und ist in Tränen ausgebrochen. Dass ihr Sohn wenige Tage nach der Amputation wieder vor ihr stehen würde, das hatte sie nicht geglaubt: »Er hatte mir zwar versprochen, wenn ich euch das nächste Mal sehe, werde ich euch auf Krücken entgegenkommen. Geglaubt habe ich das natürlich nicht. Als er jung war, war er eigentlich eher ein Träumerle. Er war ein eher schüchternes, ruhiges Kind und auch klein und ein bisschen wehleidig, aber ich habe ihm immer Mut gemacht. Als er dann tatsächlich so um die Ecke kam, bin ich ihm um den Hals gefallen und habe geheult. Er hatte es tatsächlich geschafft. Ich weiß bis heute nicht, woher er die Kraft nimmt. Dass er das so gut wegsteckt, dafür bewundere ich ihn.«
    Nie zuvor hatte ich gesehen, dass Tinos Vater große Emotionen zeigen konnte, aber von dem Moment an, als er seinen Sohn wieder stehen sah, war er wie ausgewechselt und hat sich für seine Tränen nie wieder geschämt.

    Tino wollte mit dieser unglaublichen

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