Woge der Begierde
sowie drei Zimmermädchen, die fegten und aufwischten. Kurz darauf waren alle Spuren der Zerstörung beseitigt und nur noch die freigelegte Holztäfelung legte Zeugnis ab von Daphnes und Charles’ Tun.
Die Heftigkeit des Unwetters draußen verhinderte, dass ein Arzt geholt werden konnte, um Adrians gebrochenen Arm zu richten, aber glücklicherweise war sein Kammerdiener Bertram einmal Bursche bei einem Colonel in der
Armee gewesen und wusste, was in so einem Fall zu unternehmen war. Nachdem sein Arm fachgerecht gerichtet und geschient worden war, sein Knöchel mit einem stützenden Verband versehen und seine Schnitte und Schrammen versorgt, wurde Adrian mit einer Dosis Laudanum ins Bett gesteckt. Charles’ aufgeplatzte Augenbraue wurde ebenfalls angemessen behandelt, allerdings nicht von seiner liebenden Ehefrau, wie er es erhofft hatte, sondern von dem effizienten Bertram. April und Miss Kettle zogen sich wie Adrian ebenfalls zur Nacht zurück.
Nachdem die drei sozusagen aus dem Weg waren, versammelten die Übrigen sich in der Bibliothek. Die Herren tranken Brandy aus Kristallschwenkern und die Damen Punsch, den Goodson ihnen zubereitet hatte.
Daphne lehnte sich in die weichen Polster des weinroten Samtsofas vor dem Kamin, atmete den würzigen Duft von Zitrone und Muskatnuss ein, der von ihrer Tasse aufstieg, und nahm dann einen Schluck. Himmlisch!
Die beiden Damen saßen nebeneinander auf dem Sofa; Julian hatte auf einem Stuhl unweit seiner Gattin Platz genommen, die langen Beine der Wärme des Feuers entgegengestreckt. Charles hatte sein Brandyglas auf das marmorne Kaminsims gestellt, stand auf der einen Seite des Kamins und Marcus auf der anderen. Es gab wenig Zweifel daran, dass sie alle über die Ereignisse der Nacht nachdachten. Und was gesagt worden war und was nicht, musste sich Daphne mit einem Gefühl des Unbehagens eingestehen, als ihr wieder Adrians Bemerkung einfiel, ehe er widerwillig zu Bett gegangen war.
Ihr Bruder hatte darauf beharrt, nicht gestürzt zu sein, er sei vielmehr die Treppe hinabgestoßen worden; natürlich hatten April und Miss Kettle das als Einbildung abgetan.
»Gestoßen!«, hatte Miss Kettle gerufen. »Himmel, so etwas Albernes habe ich noch nie gehört. Warum sollte einer dieser feinen Herren Sie die Treppe hinunterstoßen?«
»Ich habe gar nicht behauptet, dass es einer von ihnen war«, hatte Adrian starrköpfig eingewandt. »Ich habe nur gesagt, es habe sich so angefühlt, als ob ich gestoßen worden wäre.«
»Oh, ja, angefühlt hat es sich so«, wiederholte April und verdrehte dabei die Augen. »Du willst ja nur nicht zugeben, dass du über deine eigenen Füße gestolpert bist.«
»Stimmt ja gar nicht.«
»Doch.«
»Es reicht«, hatte Daphne sich eingemischt. Mit einem Lächeln zu Adrian hatte sie erklärt: »Es ist nicht wichtig. Du kannst von Glück reden, dass du dir nur den Arm gebrochen hast.« Ihr Lächeln zitterte. »Du hättest dir auch den Hals brechen können.«
Adrian zog die Schultern hoch. »Ich weiß, aber ich sage dir …«
»Was du mir sagen willst, junger Mann, ist, dass du diesen Trank hier jetzt sofort zu dir nehmen wirst und dann zu Bett gehst«, unterbrach ihn Miss Kettle und hielt ihm die Tasse mit dem mit Laudanum versetzten Tee unter die Nase. »Und zwar ohne weitere Einwände.« Da sein Arm schmerzte und er den Ton in Miss Kettles Stimme nur zu gut kannte, hatte Adrian eingelenkt und hatte sich danach zurückgezogen.
Keiner der fünf Erwachsenen in der Bibliothek hatte Adrians Einschätzung infrage gestellt, dass er gestoßen worden war. Daphne vermutete, dass es nicht sogleich als unwahrscheinlich von der Hand gewiesen worden war. Sie schaute Charles an, neugierig, was er wohl dachte. Bislang hatten
sie keinen ruhigen Augenblick gehabt, in dem sie sich ungestört hätten unterhalten können. Sie spürte, dass er ihr viel zu sagen hatte.
»Seltsame Vorgänge, heute Nacht«, bemerkte Marcus ohne Vorrede und unterbrach damit ihre Überlegungen.
Julian starrte auf die im Kamin flackernden Flammen und sagte: »Überaus seltsam.«
Daphne stellte ihren halb ausgetrunkenen Punsch ab, blickte Charles an und fragte leise: »Ist es möglich, dass einer von euch im Dunkeln Adrian versehentlich angerempelt hat, worauf er die Stufen hinuntergefallen ist?«
Charles schüttelte den Kopf. »Nein. Keiner von uns hat ihn berührt, auch nicht aus Versehen.«
»Es war kein Unfall«, bemerkte Julian langsam.
Charles schaute ihn scharf an.
Julian
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