Wogen der Leidenschaft - Roman
den Bibersee. Benjamin Sinclair war praktisch in Moos eingewickelt.
In stiller Zweisamkeit saßen sie da, ließen die Ruhe des Sees auf sich wirken und ruhten sich aus. Emmas Gelenke wurden aber bald steif und protestierten gegen die Beanspruchung, die der Tag für sie bedeutet hatte. Sie versuchte, sie zu entspannen, ohne Ben merken zu lassen, wie groß ihre Schmerzen waren. Ihr geschwollenes rechtes Knie streckte sie aus und verzichtete darauf, es zu massieren.
» Wie werden wir die Fische zubereiten, die wir fangen?«, fragte er.
» Ein Feuer können wir nicht riskieren.«
» Im Dickicht kann man ein kleines Feuer machen«, belehrte sie ihn.
» Man nimmt trockenes Holz, das nicht qualmt, und wartet, bis es dunkel ist, damit man den Rauch nicht sieht. Der Wind wird den Geruch verwehen, so dass Wayne die Richtung nicht bestimmen kann, aus der er kommt.«
Sie wollte von seinem Schoß herunter.
» Ich muss nachsehen, wie es um das Kanu steht.«
Er half ihr aufzustehen, ließ sie aber nicht los.
» Ich denke, ich sollte erst den Weg kontrollieren, auf dem wir gekommen sind.« Er sah hinüber zu dem gut zehn Meter hohen Felsblock, der sich am anderen Ufer des kleinen Sees erhob.
» Wenn ich dort hinaufklettere, könnte ich sehen, ob Wayne uns gefolgt ist.«
Emma griff nach der Flinte.
» Bloß nicht… ach was, sei vorsichtig«, murmelte sie und reichte ihm die Waffe.
Sie konnte nicht sagen, er solle Wayne nicht erschießen; das war allein Bens Entscheidung. Angesichts der Tatsachen und der Lage, in der sie sich befanden, war sie nicht sicher, was sie selbst tun würde.
Er küsste sie viel zu flüchtig und zog hinten aus seinem Gürtel eine Pistole.
» Ich nehme an, du kannst damit umgehen?«
Emma nahm das Ding und nickte.
» Und ich nehme auch an, du würdest nicht zögern, dich zu verteidigen?«
Wieder nickte sie.
» Sieh zu, dass du die Forelle nicht zerkochst«, sagte er und ging auf den Waldrand zu.
Emma sah ihm nach, bis er außer Sicht war, dann ging sie zu einem riesigen Baum, der ins Wasser gefallen war. Sie schob totes Geäst und Wasserpflanzen beiseite, die ein uraltes Kanu bedeckten. Unter Aufbietung ihrer gesamten noch vorhandenen Kraft drehte sie es um und trat rasch zurück, für den Fall, dass sich irgendwelches Getier darin eingenistet hatte. Nichts rührte sich, und Emma konnte nun das Boot auf Löcher untersuchen.
Es war in anständigem Zustand, trotz der Jahre, die es den Elementen ausgesetzt gewesen war. Sie zog die Ruder unter der Bank hervor, prüfte ihre Stärke und entschied, dass sie in Ordnung waren. Und jetzt hieß es fürs Dinner die Angel auszuwerfen.
Emma fand das Päckchen, das sich auf ihr Geheiß hin in jedem Rucksack befinden musste, der das Haus verließ. Sie zog Angelleine und Schwimmer heraus, dann drehte sie einen Stein um und suchte nach Würmern. Sie fand ein paar saftige Exemplare, bestückte den Haken damit und trat auf den umgestürzten Baumstamm. Dann schleuderte sie den Wurm weit hinaus. Der Schwimmer folgte und tanzte hübsch auf der Wasseroberfläche. Jetzt musste sie nur noch warten, bis sich ein hungriger Fisch in ihre Richtung verirrte. Sie vertrieb sich die Zeit mit Nascherei und der Beobachtung des Felsblocks am anderen Ufer. Von Ben war noch nichts zu sehen, deshalb wandte sie ihre Aufmerksamkeit der Pistole zu, die er ihr gegeben hatte. Es war eine hübsche kleine Kanone, ein Kaliber, mit dem man ein Loch in einen Elefanten schießen konnte.
Es war die Waffe eines Mannes, der keine halben Sachen machte.
Als sie Bens Pistole in der Hand hielt, wusste Emma, dass er jede Gelegenheit nutzen würde, die Wayne Poulin ihm bot.
Tränen fielen auf die Waffe auf ihrem Schoß, große Tropfen, schwer von der Bitterkeit zehn langer Jahre des Schmerzes. So viele Lügen und falsche Vermutungen, so viele Augenblicke der Verzweiflung, als sie insgeheim ihre Schwester verwünscht hatte, weil diese sie und Mikey verlassen hatte. So viel Energie für Hass vergeudet.
Und jetzt so viel Reue.
Mikey würde am Boden zerstört sein. Emma wusste, dass auch er viele Nächte im Bett gelegen und seine Mutter gehasst hatte. Was für ein Schuldgefühl würde er sich nun aufbürden?
Und was mochte Ben denken? Suchte er die Schuld an den Geschehnissen, am Tod ihres Vaters oder jenem Kellys irgendwie bei sich? Hätte er den Lauf der Ereignisse ändern können, wenn er geblieben wäre?
Sie wischte mit dem Handrücken über ihr Gesicht, doch nützte es nichts. Der Damm in
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