Wogen der Leidenschaft - Roman
der neben ihm ging, einen Blick zu.
Michael hatte ohne mit der Wimper zu zucken akzeptiert, dass die Schule heute für ihn ausfiel. Wie die aufbrausende Emma die Sache aufnehmen würde, blieb abzuwarten.
Sie waren kurz vor Sonnenaufgang in Medicine Creek eingetroffen, und sie hatte geduscht, sich umgezogen und ihre Elchjäger aus den Federn gejagt. Eine ebenso verdrehte wie selbstsüchtige Anwandlung hatte Ben verleitet, Mike zu bitten, den Tag mit ihm zu verbringen. Schließlich war er der Vater des Jungen. Es stand ihm doch hoffentlich zu, den Jungen einen Tag die Schule schwänzen zu lassen.
» Wie hast du die Schwimmer ruiniert?«
Michael sah plötzlich verlegen drein.
» Ich… Na ja, ich habe Crazy Larrys Dock mit voller Wucht erwischt. Aber noch mehr hat ihnen geschadet, dass ich abgeprallt und dann auf dem felsigen Ufer aufgetroffen bin.« Er grinste.
» Nemmy war so wütend, dass sie mich am liebsten ertränkt hätte.«
» Wie alt warst du?«
» Dreizehn.«
» Sie war nicht in der Maschine bei dir?«
» Nein. Ich sollte Schnellflüge üben.«
» Was ist passiert?«
» Crazy Larrys Nichte war zu Besuch.«
Das erklärte manches. Ben schlug Mike auf die Schulter und ließ die Hand dort liegen.
Ein verdammt gutes Gefühl.
Ben lachte verhalten.
» Zum Teufel, Mike, zeige mir ein Desaster, und ich zeige dir eine Frau, die aus allernächster Nähe zuguckt.«
» Tja, Nem war nicht so verständnisvoll. Ich habe so viel Feuerholz abrasiert, dass man Medicine Creek Camps damit bis ins nächsten Jahrhundert heizen kann.«
Zwei Waldhühner flogen plötzlich vom Wegrand auf und erschreckten sie so, dass sie fast die Gewehre fallen gelassen hätten. Keiner zielte auf die Vögel, stattdessen blieben sie stehen und sahen einander an.
» Nem wird außer sich sein, weil du mich heute die Schule schwänzen lässt.«
» Sie kann nicht noch zorniger werden, als sie schon ist.«
» Hast du… bist du wirklich gekommen, um mich als deinen Sohn zu fordern?«
» Verdammt richtig. Bist du bereit für einen Vater? Für mich als deinen Vater?«
Glänzende graue Augen, so unschuldig und doch so alt, sahen ihn an.
» Ich glaube schon, Mr Sinclair. Ich liebe meine Tante aus ganzem Herzen, aber es wird entschieden Zeit, dass ich einen Vater bekomme.« Plötzlich zogen sich seine Mundwinkel nach oben.
» Ich weiß wahrscheinlich mehr über dich als du selbst.«
» Wie das?«
» Nem hat ein Sammelalbum mit Bildern und Zeitungsausschnitten angelegt. Das hat sie mir an meinem zehnten Geburtstag geschenkt.«
» Emma hat ein Sammelalbum angelegt?«
» Sie hat damit angefangen, ehe wir hier draußen das Internet hatten. Ich nehme an, sie war der Meinung, ich sollte einmal selbst entscheiden, ob ich dich mit der Zeit kontaktieren sollte oder nicht. Schließlich hättest du ja ein Ekel sein können.«
» Und dieses Album und das, was du im Internet finden konntest, haben in dir den Wunsch geweckt, mich zu treffen?«
» Dies und andere Dinge. Nem hat alle meine Fragen über dich beantwortet, während ich heranwuchs. Als ich acht war, hat sie mir ein Bild von dir gegeben, das sie in einem Wirtschaftsmagazin gefunden hatte. Und alles zusammen hat in mir den Wunsch geweckt, dich kennenzulernen: was für Unternehmer du, deine Brüder und dein Großvater waren; welche karitativen Aktivitäten du unterstützt; sogar welcher Art Frauen du nachstellst.« Er warf Ben einen Seitenblick zu und grinste schief.
» Mir ist aufgefallen, dass du mit keiner Frau länger ausgehst.«
Ben legte die Flinte auf die andere Schulter und setzte sich wieder in Bewegung. Nicht zu fassen. Sein Sohn wusste alles über ihn, und er hatte nicht einmal gewusst, dass der Junge existierte.
» Es tut mir leid, dass du von mir nichts wusstest«, sagte Michael leise, als könne er seine Gedanken lesen.
» Und es tut mir leid, dass Abram Sinclair gestorben ist, ehe ich ihn kennenlernen konnte. Wir… ich hätte wohl früher mit dir in Verbindung treten sollen.«
» Bram hätte sein Königreich verpfändet, um dich kennenzulernen.«
» Ich weiß, wie er sich aus bitterer Armut hochgearbeitet und ein millionenschweres Frachtschiffunternehmen aufgebaut hat«, sagte Mike ehrfurchtsvoll.
» Und dass du nun Tidewater International als neuer Firmenboss führst.«
Ben nickte.
» Mein jüngerer Bruder Jesse arbeitet mit mir zusammen. Ich kann es kaum erwarten, dass du ihn kennenlernst. Und meinen älteren Bruder Sam. Sie freuen sich sehr auf dich. Hm… wir
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