Wogen der Leidenschaft - Roman
Nein, Marthas Ehemann war der Meisterschütze. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er gar nicht mitkommen dürfen. Ich hätte mich an meinen Grundsatz halten sollen, niemals Männer zu führen. Aber es war Marthas Jagdtrip, und sie wollte ihn dabeihaben.«
» Du hast doch nicht versucht, das Tier allein herauszuziehen?«, fragte Mikey.
» Keine Rede davon. Mr Perry war so liebenswürdig, mir zu helfen. Was glaubst du denn, wie ich so klatschnass geworden bin? Und Martha ebenso.« Emma grinste boshaft.
» Meine einzige Genugtuung besteht darin, dass sie noch wütender auf ihren Mann ist als ich.«
» Und wo ist der Elch jetzt?«, fragte Ben.
Emma schauderte.
» Wenn wir Glück haben, kommt er morgen an die Oberfläche.«
» Du hast ihn dort gelassen?« fragte Michael entrüstet.
» Mikey, wir haben es mit einem fünfhundert Kilogramm schweren Bullen zu tun. Und er hängt an einem versunkenen Baumstamm fest.« Mit patschnassen Füßen tappte Emma aus der Küche.
» Ich ziehe mich um, und dann werden du und ich ihn mit einem Wagen herausziehen. Zieh dich warm an. Nimm ein Seil mit, wenn du hinaus zum Wagen gehst.«
» Warten Sie.«
Emma drehte sich zu Ben um. Ihr Blick sagte ihm, dass er sich heraushalten sollte.
» Ja?«
» Heute Abend gehen Sie nicht wieder hinaus.« Gegen ihren eisigen Blick offenbar unempfänglich, fuhr er fort:
» Es ist dunkel, es ist unter null Grad, und Sie sind durchgefroren. Sie brauchen ein heißes Bad, Essen und dann ein Bett.«
» Mr Sinclair, mein einziges Bedürfnis ist, dass Sie sich um Ihre Angelegenheiten kümmern, während ich mich um meine kümmere. Los, Mikey.«
Michaels Blick wanderte zwischen ihr und seinem Dad hin und her. Seine Miene war unsicher, aus seinen Augen sprach Unentschlossenheit.
Das war’s also. Sie hatte ihn bereits verloren. Emma schloss die Augen und ging zum Schlafzimmer, gebeugt unter dem Gewicht ihrer nassen Kleidung und ihres schweren Herzens.
» Schon gut, Michael. Es wird ohnehin Zeit, dass ich wieder lerne, mich auf mich selbst zu verlassen.«
» Nem?«
Seine heisere, in flehentlichem Ton vorgebrachte Frage hielt sie nicht auf. Sie ging triefend weiter zu ihrem Zimmer und schloss leise die Tür, an die sie sich mit nach oben gewandtem Gesicht lehnte, damit die Tränen ihr nicht über die Wangen flossen.
O Gott, sie hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Seit langem schon hatte sie sich darauf vorbereitet, doch war sie nicht auf diesen verzehrenden Schmerz gefasst, den sie nun empfand.
Der einzige Mensch, den sie liebte, würde in ein paar Wochen, wenn nicht gar Tagen, aus ihrem Leben gehen. Michael würde ihr schreiben, sie anrufen und zu Besuch kommen, aber dazwischen würde sie einsamer sein als Jonas in seinem Wal. Als Emma sich noch an der Tür ihrer nassen Sachen entledigte, zitterten ihre Hände– vor Kälte oder weil ihr gebrochenes Herz so schmerzte. Sie trat aus der Pfütze heraus, die sich rasch um ihre Kleidungsstücke bildete, und tappte ins Bad und unter die Dusche. Erst unter dem heißen, prickelnden Strahl brachen sich ihre Tränen Bahn und verschwanden mit dem Schmutz und ihren letzten Hoffnungen im Abfluss.
Sie blieb stehen, bis sie nicht mehr zitterte und ihre Tränen versiegt waren, dann rieb sie sich trocken und öffnete die Badezimmertür mit resigniertem Seufzen. Auch wenn Mr Perry es mehr auf die Trophäe als auf das Fleisch abgesehen hatte, wollte Emma es nicht verderben lassen.
Mit ihrem Pick-up, einem langen Seil und unter Einsatz von Köpfchen würde es ihnen gelingen, den Elch herausziehen und anschließend auszunehmen. Morgen würden sie ihn verladen und zur Prüfstation bringen– und wenn sie die ganze Nacht im Freien campieren musste, um das verdammte Ding zu bewachen.
Es war nur eine Sache der Logistik.
Emma wickelte das Handtuch um sich, als sie aus dem Bad ging, in Gedanken bei der Liste der Gegenstände, die sie brauchen würde, als sie plötzlich beim Anblick zweier in Socken steckender Füße am Fuß ihres Bettes stutzte.
Sie blickte mit einem Ruck auf und begegnete Bens finsterem Blick.
» Hinaus aus meinem Zimmer. Sofort.«
» Ich gehe, sobald Sie im Bett sind.«
» Auf mich wartet Arbeit. Und mein Bett wird heute der Vordersitz meines Wagens sein.«
» Was? Warum?«
» Ich muss den Elch bewachen, sonst wird sich jeder Kojote im Umkreis von fünfzig Meilen seinen Bauch mit ihm füllen.«
Er schüttelte langsam den Kopf, und Emma fiel nun erst auf, was er in der Hand
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