Wogen der Leidenschaft - Roman
Linien, die kreuz und quer über den Atlantik und Pazifik verliefen. Dunkelrote Nadeln steckten im Festland, in wichtigen Flughäfen, wie Emma feststellte.
Tidewater International war ein riesiges Unternehmen.
Und Ben wollte dieses Unternehmen von Medicine Creek Camps aus steuern?
Emma setzte sich auf den großen Chefsessel und starrte die Weltkarte an. Warum hatte Ben seinen Sohn nicht schon zu sich nach New York mitgenommen? Von hier aus zu arbeiten konnte nicht so einfach sein.
Sie schlang die Arme um sich. Sie hatte die ganze Sache vermasselt– für alle bis auf Mikey, wie es aussah. Die letzten vier Tage war der Junge wie auf Wolken geschwebt– wann immer er zu Hause war– und war seinen Pflichten pfeifend nachgekommen. Pfeifend!
Nun, sie freute sich für ihn. Der arme Kleine war so verstört gewesen, als seine Mutter auf und davon gegangen war, und Emma befürchtete, dass er die Schuld bei sich gesucht hatte. Deshalb hatte sie sich in den zehn Jahren seither bemüht, Kellys feigen Verrat wiedergutzumachen.
Für sie war es unvorstellbar, dass eine Mutter ihr Kind einfach so im Stich lassen konnte und nie wieder ein Lebenszeichen von sich gab. Ein Brief, eine Geburtstagskarte oder auch nur eine Ansichtskarte von dem Ort, an dem sie sich momentan aufhielt, wäre für ihn eine wundervolle Überraschung gewesen.
Aber andererseits hätte man anhand einer Postkarte den Aufenthaltsort feststellen könne, und Kelly war eindeutig nicht gewillt, sich finden zu lassen. Mehr als einmal war Emma versucht gewesen, einen Detektiv in Anspruch zu nehmen, damit sie vor ihre Schwester hintreten und sie ohrfeigen konnte. Sie hasste Kelly für das, was sie getan hatte, und sie würde ihr niemals, niemals verzeihen.
Emma fuhr zusammen, als plötzlich das Telefon läutete. Sie starrte die blinkenden Lichter und zahlreichen Knöpfe an und griff schließlich nach dem Hörer.
» Tidewater International. Nein, Mr Sinclair ist jetzt nicht zu sprechen. Was? Ein Scheck? Wie hoch? Nein, ich glaube nicht, dass es korrekt ist. Sie sind zu teuer… mir doch einerlei, ob Sie es schon geliefert haben; holen Sie es wieder ab. Ich verstehe. Nun, dann müssen Sie eben um zweitausend Dollar nachlassen. Nein… Nein… also eintausend, und keinen Penny mehr. Danke, Mr Coffin. Ich? Ach, ich bin Vizepräsidentin… für den Einkauf zuständig. Ja, Tidewater International wird auch in Zukunft auf Sie zukommen. Guten Tag!«
Emmas selbstzufriedenes Schmunzeln war wie weggeblasen, als ein großer, ominöser Schatten auf den Schreibtisch fiel.
» Na, Miss Vizepräsidentin. Wie waren die Geschäfte?«
» Das Telefon hat geläutet, und du warst nicht da. Deshalb habe ich abgehoben.«
» Vielen Dank… denke ich.«
Emma machte sich daran, die Papiere auf dem Schreibtisch zu ordnen.
» Ben, das Geld muss bei dir auf einem Baum im Garten wachsen. Für diesen aufgemotzten Wagen, der draußen parkt, hast du viel zu viel bezahlt.«
Zwei Hände legten sich mit offenen Handflächen auf die Papiere, die sie ordnete.
» Habe ich das?«
» Nun, jetzt nicht mehr. Ich habe tausend Dollar heruntergehandelt. Denk daran, wenn du den Scheck ausstellst.«
» Das werde ich, Miss Vizepräsidentin. Gab es noch andere Anrufe?«
Nun blickte Emma in Bens lachende Augen auf.
» Singapur hat noch einmal angerufen, und ich habe gesagt, deine Freundin läge mit Zwillingen in den Wehen und ihr Vater käme eben mit einer Flinte durch die Tür. Man würde sich wieder melden, hieß es…«
Er war um den Schreibtisch herum, ehe sie dahinter hervorkommen konnte. Und bevor sie sich fassen konnte, wurde Emma hochgehoben und auf die Mahagonifläche des Schreibtisches gesetzt, dass alle Papiere durcheinanderflogen– zusammen mit ihren Emotionen. Muskulöse Schenkel drängten ihre Knie auseinander, lange Arme schlangen sich um sie, als diese lachenden Augen sich jäh veränderten.
Es war ein Blick, den Emma schon kannte.
Sie versuchte, ihn von sich zu stoßen. Unmöglich, wie sie wusste, doch sie wollte unbedingt verhindern, dass dieser Mann jemals merkte, wie viel Macht er über sie besaß.
» Das war eben ganz schlimm, Emma Sands.«
» Müssen jetzt alle Ihre großen Pötte mitten im Ozean auf Gegenkurs gehen, Mr Sinclair? Haben Sie bei Ihren Kunden in Singapur einen Gesichtsverlust erlitten?«
» Wahrscheinlich schon.«
» Wird das Unternehmen deshalb bankrottgehen?«
» Wahrscheinlich.«
» Michael wird also kein Unternehmen erben.«
» Ihm bleibt immer noch
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