Wogen der Leidenschaft - Roman
wurde geliebt und behütet und hatte bislang ein erfülltes Leben.« Er sah seinen Vater mit breitem Grinsen an.
» Und vor mir liegt noch ein langes Leben. Es wird ein wundervolles Abenteuer. Du hast keinen Grund, etwas zu bedauern. Wärst du vor sechzehn Jahren nicht hergekommen, würde ich nicht existieren.«
Mit einem leichten Stoß gegen den Arm seines Vaters ging Michael aus der Küche, nicht ohne Emma zuzublinzeln.
Er hinterließ nachdenkliches Schweigen. Emma rührte sich nicht. Ben auch nicht.
» Er hat recht, Ben«, sagte sie in die Stille hinein.
» Insgeheim habe ich dir für Michael die ganzen fünfzehn Jahre gedankt.«
» Ich wünschte… ich bedaure, dass ich diese Jahre versäumt habe«, sagte er, noch immer mit dem Rücken zu ihr.
» Ich hätte ihn gern gekannt.«
» Das lässt sich nachholen.«
Schließlich drehte Ben sich um, und Emma sah, dass sich eine Vielzahl von Emotionen in seiner Miene abzeichnete. Neugierde war es schließlich, die ihn zu der Frage bewog:
» Wo ist Kelly jetzt? Hat sie jemals den Kontakt mit Mike gesucht?«
Emma schüttelte den Kopf und machte sich wieder daran, den Tisch abzuräumen.
» Ich hatte Mikey über das Wochenende mit nach Portland genommen«, erklärte sie.
» Als wir wieder nach Hause kamen, habe ich nur eine Nachricht vorgefunden, die besagte, dass sie eine Weile fortmüsste. Sie wollte anrufen, wenn sie sich niedergelassen hätte und würde Mikey nachkommen lassen.« Sie sah ihn an.
» Das alles hat sie nie getan.«
Bens Miene blieb undurchdringlich.
Emma brachte das Geschirr zur Spüle, ehe sie sich wieder ihm zuwandte.
» Wayne Poulin behauptet, Kelly hätte ihm einige Male im Laufe der Jahre geschrieben, aber ich weiß nicht, ob man ihm glauben kann. Er war immer ein lauter Angeber, zumal wenn er getrunken hatte. So behauptet er immer noch, sie würde zu ihm zurückkehren.« Emma schüttelte den Kopf.
» Nach all den Jahren versucht er noch immer, sein Gesicht zu wahren. Er tut mir richtig leid.«
» Warum hat Kelly Wayne nicht geheiratet? Zu mir hat sie damals gesagt, sie hätte diese Absicht.« Er schnaubte.
» Offenbar war ich nur jemand zum Zeitvertreib, da ihr richtiger Freund den Sommer über in einem Holzfällercamp in Kanada gearbeitet hat. Als er nach Hause kam, ist sie sofort wieder zu ihm zurückgerannt. Es hat eine Woche gedauert, bis ich sie allein sehen und sie bitten konnte, mit mir nach New York zu gehen.«
» Ich glaube nicht, dass sie zu Wayne zurückgelaufen ist, ebenso wenig, wie sie von dir weggelaufen ist.«
Ben erstarrte.
» Was meinst du damit?«
» Kelly hatte Angst vor dir, Ben. Du warst so gebildet und weltgewandt und wolltest mit so großer Leidenschaft den Bau des Dammes verhindern. Ich glaube, Kelly hat befürchtet, von dir völlig überwältigt zu werden, wenn sie sich in dich verlieben würde.«
» Das hat sie zu dir gesagt?«
» Mehr oder weniger. Ich wollte sie mehrmals während ihrer Schwangerschaft überreden, sie sollte dir schreiben, sie aber hat befürchtet, du würdest darauf bestehen, dass sie und das Baby nach New York ziehen. Schlimmer noch, dass du um das Sorgerecht kämpfen würdest.« Emma ging zu ihm und berührte seinen Arm.
» Ben, sie war achtzehn und voller Angst. Und wir hatten eben unseren Vater verloren. Wir waren beide total verstört. Deshalb haben wir das Versicherungsgeld genommen, das das Sägewerk uns bei Dads Tod ausgezahlt hat, Medicine Creek Camps gekauft und uns aneinandergeklammert.«
» Sie war neunzehn und du erst fünfzehn.«
» Wir bekamen viel Hilfe von Freunden. Und Kelly war alt genug, um als mein Vormund eingesetzt zu werden– dank der Fürsprache der Leute im Ort.«
» Du hast noch immer nicht gesagt, warum Kelly Poulin nicht geheiratet hat.«
» Das war das einzig Vernünftige, das Kelly jemals getan hat. Wayne hat getobt, als er entdeckte, dass sie schwanger war. Da wusste sie, dass er das Kind nie akzeptieren würde.« Sie ging daran, die Töpfe zu spülen.
» Wayne ist damals im Herbst aufs College gegangen, und als er im Frühjahr darauf zurückkam, war Michael geboren. In den nächsten fünf Jahren sind Kelly und Wayne miteinander gegangen und haben sich mindestens ein Dutzend Male getrennt. Bis sie sich plötzlich in Luft aufgelöst hat.«
Sie sprach nicht weiter, und wieder senkte sich Stille über die Küche, die nur vom Geräusch klappernder Töpfe gestört wurde, die geschrubbt wurden. An dem Tag, als Kelly verschwunden war, hatte Emma ihre
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