Wogen der Liebe
doch wie ein Tier.«
Vergeblich versuchte Viviane, sich vor Dallas Tritten zu schützen. Sie rutschte auf Knien zu Astrid. »Dröttning, Herrin, ich bitte Euch, helft Raudaborsti. Sie ist doch ein Mensch.«
»So, so, ein Mensch. Eine Sklavin ist sie, wie du. Nur dass sie niemand hier haben wollte. Und dich auch nicht. Ungehorsam muss bestraft werden. Und Diebstahl. Und Aufsässigkeit gegen die Fürstenfamilie.«
»Bestraft mich, wenn Ihr es für richtig haltet. Aber lasst mich Raudaborsti helfen.«
Sie erntete höhnisches Gelächter von Dalla und Halveig. »Hat man so etwas schon erlebt? Die ist verrückt! Will ein kleines wildes Tier retten und nimmt sogar eine Strafe in Kauf.«
Astrid beugte sich zu Viviane herab. »Wie kommst du zu so einem Ansinnen?«
»Mein Gott sagt mir, anderen zu helfen, auch wenn ich selbst Schaden nehme. Bitte, gebt Raudaborsti die Kräuter, damit sie von ihrem Leiden geheilt wird.«
»Dein Gott sagt dir das? Was ist das für ein wundersamer Gott?«
»Der da oben.«
»Sie ist verwirrt, siehst du das nicht?« Dalla versuchte, ihr wieder einen Tritt zu versetzen. »Sie ist krank im Kopf. Vielleicht steckt sie uns alle an.«
»Hör auf«, befahl ihr Astrid. Sie wandte sich an Viviane. »Hat dir dein Gott auch gesagt, dass du stehlen sollst?«
Viviane schüttelte stumm den Kopf. Zwei Tränen kullerten über ihre Wangen.
Mit einer herrischen Handbewegung scheuchte sie ihre beiden Töchter weg. »Du bist schon ein seltsames Wesen«, sagte Astrid. »Ich mag keine kranken Menschen hier auf meinem Hof haben. Wenn du sie heilen kannst, dann sollst du es tun. Aber bitte mich zuvor um die Medizin. Sie ist wertvoll, und nur ich bestimme, wer sie bekommen darf.«
»Ja, Dröttning, ich will es beherzigen. Ich danke Euch für Eure Güte.«
»Ich denke, du hast mich verstanden. Enttäusche mich nicht.«
»Nein, das werde ich nicht«, versprach Viviane. Sie rappelte sich auf und eilte zurück zur Hütte. Raudaborsti hockte mit bleichem Gesicht und spitzer Nase auf ihrer Strohschütte, eine Decke um ihren Körper geschlungen.
»Ich habe Kräuter von der Herrin bekommen. Jetzt kann ich dir einen Trank brauen.«
Truud, die bereits protestieren wollte, schwieg. Wenn es die Herrin befahl, dann ging das in Ordnung, auch wenn es Truud überhaupt nicht einsah, dass der verfressenen Raudaborsti geholfen wurde.
»Wieso bist du nackt?«, wunderte sich Viviane, während sie den Tee aufgoss.
Raudaborsti senkte verschämt den Kopf. »Habe meinen Kittel besudelt. In der Früh wasche ich ihn aus.«
»Hier, trink das. Morgen geht es dir wieder besser.« Sie reichte ihr die Schale mit dem duftenden Minztee. Raudaborsti schlürfte ihn dankbar. Dann kuschelten sich die beiden zusammen.
»Die Herrin Astrid ist sehr freundlich«, flüsterte Viviane. »Ich werde morgen zu ihr gehen und ihr von meiner Beobachtung erzählen. Ich bin sicher, sie wird mir glauben.«
Raudaborsti war zu müde und zu krank, um etwas zu entgegnen. Sonst hätte sie Viviane gewarnt.
Dalla stemmte empört die Fäuste in die Hüften. »Mutter, ich verstehe deine Nachsicht mit dieser Magd nicht. Sie erdreistet sich mehr, als je eine Freie wagen würde. Zudem lässt sie es an Respekt fehlen. Und ich erinnere dich an ihre Verführungskünste, die Thoralf beinahe ins Unglück gestürzt hätten. Bestimmt wollte sie uns alle ermorden. Sie muss endlich verschwinden.«
Astrid zog unwillig ihre Augenbrauen zusammen. »Ich habe Thoralf versprochen, dass sie den Mantel fertig weben darf. Dann werden wir weitersehen. Thoralf ist weit weg, und Odin möge ihn gesund und erfolgreich zu uns zurückführen. Diese Sklavin wird ihn nicht gefährden.«
»Wieso bist du dir so sicher? Vielleicht beherrscht sie einen Zauber, der Thoralf verwirrt? Sie ist eine Fremde. Wir wissen nichts über ihre Herkunft. Sie steht bestimmt mit dunklen Mächten in Verbindung. Schau dir doch nur ihre seltsamen Augen an. Kein Mensch hat so eine Augenfarbe. Sie schleicht sich nachts hier herein. Woher willst du wissen, dass sie uns nicht töten wollte?«
»Dann hätte sie es längst getan. Sie arbeitet gut, Truud ist mit ihr zufrieden.«
»Sie verstellt sich.« Dalla gab sich noch nicht geschlagen. »Soll erst ein Unglück geschehen?«
»Thoralf hat sie unter unseren Schutz gestellt. Dies dürfen wir ihr nicht verwehren.«
»Früher warst du nicht so nachsichtig«, erwiderte Dalla.
Astrids Gesicht verfärbte sich zornrot. »Was redest du da? Dir wird die Zunge
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