Wogen der Liebe
konnte sie sich nur auf dieses aussichtslose Abenteuer einlassen? War der Plan, Skollhaugen zu retten, es wert? Skollhaugen war nicht mehr ihre neue Heimat, sie würde nie wieder dahin zurückkehren können. Eine geflüchtete Sklavin konnte keine Nachsicht erwarten. Und Dallas Hass auf sie, den sie sich nicht erklären konnte, hätte ihr nicht nur das Leben zur Hölle gemacht, sondern es wahrscheinlich auch bald beendet. Es gab nur einen, den sie retten und beschützen wollte – Thoralf!
Sie schluchzte und taumelte, stürzte und rappelte sich wieder auf. An den Steinen hatte sie sich die Knie aufgeschlagen, ihre Füße waren wund gelaufen, und die Kälte brannte rote und blaue Flecke auf ihre Haut. Kaum spürte sie noch ihren Körper. Nur der Gedanke an Thoralf trieb sie vorwärts. Für ihn tat sie das alles, für ihn wollte sie Skollhaugen retten. Thoralf! Einen Herzschlag lang verspürte sie das Prickeln im Bauch, das Brennen der Sehnsucht in ihrer Brust. Nur noch einmal wollte sie seine zärtliche Hand spüren, seinen Blick, seine Lippen. Nur noch einmal wollte sie ihm über sein Haar streichen, seine Stimme hören: »Kleine Skolli …«
Es war der Geruch von Rauch, der sie aus ihren Tagträumen riss, während sie vorwärtstaumelte. Rauch, Feuer, Skollhaugen brennt! Sie riss die Augen weit auf, doch sie befand sich immer noch am Fluss. Eine Landzunge schob sich in dessen Lauf, hell und rund wie der Buckel eines auftauchenden Wals. Von dieser Landzunge stieg eine dünne Rauchsäule auf, neigte sich in ihre Richtung. Sie erkannte ein Feuer, eine sitzende Gestalt. Etwas weiter entfernt stand ein gelbliches Pferd und knabberte an einem Fichtenzweig. Sie hatte Yngvar tatsächlich gefunden!
Mit ausgestreckten Armen wankte sie auf ihn zu. Zuerst hob das Pferd den Kopf und schnaufte kräftig durch die Nüstern. Dann wandte sich auch Yngvar um. Viviane sah noch seinen erstaunten Gesichtsdausdruck, bevor sich alles um sie drehte und die Welt im Dunkel versank.
Es war der Rauch des Feuers, der in ihrem Hals brannte und einen Hustenreiz auslöste. Sie öffnete die Augen und blickte sich verwirrt um.
»Was für ein seltsamer Fisch ist mir da vor die Füße gesprungen?« Yngvar blickte auf sie herab. Sie lag auf dem groben Kies des Flussufers. Nach und nach kroch die Kälte in ihren Körper. Yngvar hatte feuchtes Holz ins Feuer geworfen, doch es qualmte mehr, als dass es wärmte. Ächzend rappelte Viviane sich hoch. Doch ihre Beine gaben nach. Yngvar fing sie auf und setzte sie dicht am Feuer nieder, darauf bedacht, dass sie den Rauch nicht abbekam.
»Welcher Troll hat dir den Geist verwirrt, dass du allein durch den Wald irrst?«
Viviane zitterte so stark, dass sie nicht sprechen konnte. Yngvar schüttelte den Kopf. »Verrücktes Weib! Dabei dachte ich, du fürchtest dich vor dem Wald.«
Viviane nickte heftig und rang nach Worten. Ein Hustenanfall schüttelte sie. Yngvar reichte ihr eine Schale mit heißem Wasser, in die er eine Handvoll getrocknete Kräuter streute. Erst jetzt bemerkte Viviane den kleinen eisernen Kessel im Feuer und einige Fische, die auf dem Kies lagen.
»Es war kein guter Fang«, sagte Yngvar. »Es hat sich nicht gelohnt hierherzukommen.« Er hob den Blick. »Warum bist du hier?«
Viviane nahm einen Schluck aus der Schale und räusperte sich. »Es droht Gefahr für Skollhaugen.«
»Hat man dich geschickt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Niemand glaubt mir. Aber ich schwöre, dass ich es mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört habe.«
Interessiert beugte sich Yngvar vor. »Was hast du gesehen und gehört?«
»Ich habe ein Gespräch zwischen Asgeir und Sven belauscht. Hoskuld will Gunnardviga zur Braut haben, doch er kann ihr nicht die wertvollen Brautgeschenke bieten wie Thoralf. Deshalb plant er einen Überfall auf Skollhaugen, und Asgeir soll ihm dabei helfen.« Sie bemerkte Skepsis in Yngvars Blick. »Ich habe es der Herrin erzählt, aber sie hat mir nicht geglaubt.«
»Es klingt auch wirklich unglaubwürdig. Warum sollte Hoskuld einen Überfall wagen, wenn er doch keine Aussicht auf Erfolg hat? Skollhaugen ist zu stark befestigt, als dass es gelingen könnte. Ragnvald würde es nicht zulassen.«
»Das hat Frau Astrid auch gesagt. Aber die beiden sprachen von einer List.«
Yngvar schob die Unterlippe vor. »Was hätte Asgeir davon? Als Gunnardvigas Bruder würde er alle Annehmlichkeiten und Vorzüge unserer Familie in Anspruch nehmen können.«
»Genau das
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