Wohin das Herz uns trägt
Klettern. Mein Rücken bringt mich um. Kommen Sie doch rein.«
»Ich hab keinen Badeanzug dabei.«
»Kein Problem, ich mache das Licht aus.« Schon drückte er auf den Knopf, und es wurde dunkel. »Im Kühlschrank ist Wein. Und Gläser finden Sie über der Spüle.«
Lange stand sie unschlüssig da. So lange, dass er fast sicher war, sie würde ablehnen. Schließlich drehte sie sich um und ging. Er hörte die Haustür auf- und wieder zugehen. Kurz darauf kam sie zurück, mit einem Weinglas und einem Handtuch.
»Machen Sie die Augen zu«, sagte sie.
»Ich kann Ihre BH-Träger sehen, Julia.«
»Machen Sie jetzt die Augen zu oder nicht?«
»Sind wir vielleicht in der achten Klasse oder was? Spielen wir nachher Flaschendrehen? Ich bezweifle ...«
Sie wandte sich um.
»Okay, okay«, lachte er. »Meine Augen sind geschlossen.«
Er hörte sie zurückkommen, hörte, wie das Handtuch auf einen Stuhl gelegt wurde, hörte das leise Plätschern, als sie in die Wanne stieg. Das Wasser schwappte sanft gegen seine Brust, und für den Bruchteil einer Sekunde dachte er, Julia hätte ihn berührt.
Er schlug die Augen wieder auf.
Die Arme an den Seiten, saß sie ganz an ihre Seite der Wanne gepresst. Der weiße Spitzen-BH war von der Nässe durchsichtig; die Wölbung ihrer Brüste war ebenso zu erkennen wie die dunklen Brustwarzen, »Sie glotzen«, sagte sie und nippte an ihrem Wein.
»Sie sind schön«, erwiderte er, selbst verwundert über den heiseren Ton seiner Stimme und darüber, wie sehr er sie auf einmal begehrte.
»Ich frage mich, wie oft Sie das schon zu einer Frau gesagt haben, die töricht genug war, zu ihnen in diese Wanne zu steigen.«
»Sind Sie auch töricht?«
Sie sah ihn an. »Oh ja, und wie. Aber ich bin nicht dumm. Wenn ich dumm wäre, hätte ich mich ausgezogen.«
»Genau genommen sind Sie die erste Frau, die jemals in diesen Whirlpool gestiegen ist.«
»Angezogen, meinen Sie.«
Er lachte. »Mit diesem durchsichtigen Teil kann man Sie wohl kaum als angezogen bezeichnen. Aber nein. Ich meine, Sie sind die Erste, die außer mir je in diesem Whirlpool war, angezogen oder nackt.«
»Echt?«, hakte sie stirnrunzelnd nach.
»Echt.«
Sie wandte sich leicht zur Seite und sah auf den See hinaus. In der grauen Ferne trieben zwei Trompeterschwäne gemächlich auf dem Wasser. Das Mondlicht brachte ihre Federn zum Glänzen.
Nach einer Weile wurde Max die Stille unbehaglich. Auch Julia hatte es anscheinend bemerkt, denn sie wandte sich ihm wieder zu und sagte: »Erzählen Sie mir etwas Reales, ich weiß gar nichts über Sie.«
»Was wollen Sie denn wissen?«
»Warum sind Sie in Rain Valley?«
Er gab ihr die Antwort, die er allen servierte. »In L.A. gibt es zu viele Bandenschießereien, das hat mir irgendwann gereicht.«
»Warum denke ich, dass das nur ein Teil der Geschichte ist?«
»Ich vergesse immer, dass Sie Psychologin sind.«
»Und auch noch eine gute.« Sie grinste. »Obwohl ich gelegentlich voreilige Schlüsse ziehe. Also, erzählen Sie.«
Er zuckte die Achseln. »Ich hatte ein paar persönliche Probleme und wollte deshalb einige Dinge verändern. Ich habe daraufhin meine Stelle gekündigt und bin hierher gezogen. Ich liebe die Berge.«
»Persönliche Probleme?«
Natürlich pickte sie gleich das Wichtigste heraus. »Das ist mir jetzt zu real«, entgegnete er leise.
»Manchmal muss man alles hinter sich lassen.«
Er nickte. »Es war nicht schwer, von Los Angeles fortzugehen. Meine Familie ist verrückt, einer wie der andere. Meine Eltern - Ted und Georgia, ehe Sie weiterfragen - haben gegenwärtig eine Auszeit von ihren Jobs an der Uni in Berkeley. Sie reisen in einem Wohnmobil namens Dixie durch Mittelamerika. Das Letzte, was ich von ihnen gehört habe, ist, dass sie irgendeinen Käfer suchen, der schon seit Jahrtausenden ausgestorben ist.«
Julia lächelte. »Was unterrichten sie denn?«
»Biologie und Organische Chemie. Meine Schwester Ann ist zurzeit in Thailand, Tsunamihilfe. Mein Bruder Ken arbeitet für irgendeine brillante Expertenkommission in den Niederlanden. Seit fast einem Jahrzehnt hat ihn hier keiner mehr zu Gesicht bekommen. Jedes Jahr an Weihnachten kriege ich eine Karte von ihm, auf der steht: ›Mit den besten Wünschen für Sie und Ihre Familie, Dr. Kenneth Cerrasin.‹«
Inzwischen lachte Julia so heftig, dass sie quietschte, was zu einem noch schlimmeren Lachanfall führte, und zu seiner eigenen Überraschung stimmte Max ganz entspannt mit ein.
»Und ich dachte,
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