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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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wieder auf die Sprünge. Aber wir sollten es ihr so beibringen, wie man es einer Zweijährigen beibringen würde: Immer schön ein Wort nach dem anderen.«
    * * *
    Später, nachdem Ellie in ihrem Zimmer verschwunden war, ging auch Julia zu Bett. Aber an Schlafen war nicht zu denken, dafür war sie viel zu aufgedreht - sie lag da und starrte an die Decke, während ihr Körper vor Aufregung über das, was geschehen war und was sich daraus entwickeln konnte, kribbelte und prickelte.
    Bleib.
    Der Moment ging ihr nicht aus dem Kopf. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, überlief sie ein Schauer der Ehrfurcht angesichts der Bedeutung dieses einen Wortes.
    Bis heute Abend, bis zu dem Augenblick, als Alice ihr erstes Wort gesprochen hatte, war Julia nicht klar gewesen, wie verloren, wie niedergeschlagen sie war. Ihr Selbstvertrauen war angeknackst, ja kaum noch greifbar gewesen. Aber jetzt war sie wieder da. Sie hatte ihr altes Selbst wiedergefunden.
    Und sie würde nie wieder aufgeben. Als Erstes würde sie morgen früh das Team der Ärzte und Wissenschaftler anrufen, die Alice studieren wollten, und ihnen sagen, sie sollten ein für allemal die Finger von ihr lassen. Dann würde sie die Fürsorge überzeugen, dass das Mädchen bei ihr gut aufgehoben war.
    Vielleicht war das die Lektion, die sie aus der Tragödie mit Amber lernen musste, vielleicht war das der fehlende Hinweis, den sie so verzweifelt gesucht hatte.
    In ihrem Beruf gab es Fehlschläge. Herzzerreißende Verluste. Aber um ihr Bestes geben zu können, musste sie stark bleiben in ihrem Glauben, dass sie dennoch etwas bewirken konnte.
    Sie war wieder stark. Keine Anrufe von Wissenschaftlern oder sogenannten Kollegen, keine übergriffigen Fragen irgendwelcher Medienvertreter würden sie je wieder kleinkriegen. Niemand konnte ihr Alice wegnehmen.
    Plötzlich hatte sie das unwiderstehliche Bedürfnis, mit jemandem zu reden, ihren Triumph mit jemandem zu teilen. Und es gab nur einen einzigen Menschen, der sie verstehen würde.
    Du bist verrückt, Julia.
    Sie schlug die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Rasch schlüpfte sie in eine abgetragene schwarze Trainingshose und ein blaues T-Shirt, küsste Alices samtige Wange und verließ den Raum.
    Vor Ellies Zimmer blieb sie kurz stehen. Unter der Tür war kein Licht zu sehen, von innen kamen keine Geräusche.
    Sie wollte ihre Schwester nicht wecken. Außerdem wusste Ellie die Bedeutung der heutigen Ereignisse sowieso nicht richtig zu schätzen.
    Ohne weiter nachzudenken, ging sie geradewegs zum Auto, stieg ein und fuhr zum alten Highway. Um diese Nachtzeit gab es keine Autos auf der Straße, die Welt war still und dunkel. Sterne sprenkelten den Himmel, dass er aussah wie ein Bild von Jackson Pollock.
    Kurz vor dem Eingang zum Nationalpark bog sie auf den holprigen Kiesweg ab. Bei der letzten Biegung schaltete sie die Scheinwerfer aus und rollte im Schutz der Dunkelheit auf den Hof.
    Eigentlich wusste sie gar nicht, weshalb sie hier war, vor seinem Haus, wie ein pubertierendes Mädchen an einem einsamen Samstagabend.
    Nein, das stimmte nicht. Sie wollte sich nur nicht eingestehen, warum sie hier war. In Wirklichkeit wusste sie es genau.
    Egal wie oft sie sich einzureden versucht hatte, dass ihr Verhalten einfach dumm war - eine Fliege, die direkt ins Spinnennetz flog -, sie konnte nichts dagegen machen.
    Langsam stieg sie aus und überquerte den dunklen Hof, das sanfte Plätschern des Sees im Ohr.
    * * *
    Max hörte, wie ein Auto vorfuhr, und hoffte, dass es sich nicht um einen medizinischen Notfall handelte. Heute war der einzige Abend in dieser Woche, an dem er keine Bereitschaft hatte, und er war inzwischen beim zweiten Scotch angelangt.
    Dann hörte er Schritte auf der Veranda. Kurz darauf klopfte es an der Haustür.
    »Ich bin hier draußen!«, rief er. »Auf der Terrasse!«
    Schweigen. Langes Schweigen. Gerade wollte er noch einmal rufen, als er wieder Schritte vernahm.
    Es war Julia. Als sie ihn im Whirlpool sitzen sah, blieb sie wie angewurzelt stehen.
    Sie stand unter der orangefarbenen Lampe, die die überdachte Terrasse beleuchtete. Seit sie sich vor dem Imbiss begegnet waren, hatte er sie nicht mehr gesehen, doch oft an sie gedacht. Ihm fiel sofort auf, wie blass sie aussah, wie schmal und erschöpft. Ihre tolle Figur wirkte kantig und hart, ihr Kinn spitzer.
    Aber ihre Augen hielten ihn fest wie ein Kind sein Lieblingsspielzeug.
    »Sie haben einen Whirlpool, Doktor? Was für ein Klischee!«
    »Ich war heute

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