Wohin das Herz uns trägt
Gattten tragen musste. Der voluminöse graue Pullover mit dem Indianermuster war ihr mindestens zwei Nummern zu groß. »Wir haben schon gehört, dass Sie auf dem Weg hierher sind.«
»Ja, Ned hat Sie vom Highway abbiegen sehen. Da hat er Sandi angerufen, und die hat mitgekriegt, dass Sie die Bay Road genommen haben«, ergänzte Violet und nickte bei jedem Wort mit dem Kopf, als wäre das die notwendige Interpunktion.
»Was gibt‘s Neues, Chief?«, rief jemand von hinten.
Ellie war ziemlich sicher, dass es sich um die Stimme von Mort Elzik handelte - er war der Lokalreporter, der die Geschichte in der heutigen Zeitung gebracht hatte.
»Ruhe, Mort«, mahnte Daisy streng und machte Gebrauch von ihrer Direktorinnenstimme, um die angestrebte Wirkung zu erzielen. »Wir haben überall in der Stadt gesammelt, Chief, wie Sie es uns aufgetragen haben. Die Leute waren wirklich großzügig. Wir haben Spielzeug und Bücher und Brettspiele und Anziehsachen. Sogar einen Roller. Der Kleinen wird es an nichts mangeln. Soll ich die Sachen in ihr Zimmer bringen? Wo ist das arme Ding denn eigentlich?«
Jetzt trat Marigold vor. »Auf der Psychiatrischen Station womöglich?«, fragte sie mit gesenkter Stimme und blickte in die Runde. Allgemeines Nicken. »Bei Emergency Room holen die immer jemanden von der Psychiatrie.«
»Was ist mit dem Wolf?«, meldete sich Mort erneut, während er sich einen Weg nach vorn zu bahnen versuchte.
Plötzlich redeten alle durcheinander, ohne sich von Daisy daran hindern zu lassen. Ellie machte sich erst gar nicht die Mühe, denn sie wusste, dass bald von ganz allein wieder Ruhe einkehren würde. Schließlich war in Kürze Happy Hour. Dann würde einer nach dem anderen verstohlen auf die Uhr schauen, eine Entschuldigung murmeln und sich eilig auf den Weg zum Auto machen. Auch hier war Daisy Grimm die Anführerin, denn dass sie verspätet zur Happy Hour in der Bigfoot Bar erschien, war schlicht unvorstellbar. Dort würde sie am Tresen sitzen und zum halben Preis ihr Lieblingsgift genießen - einen Boilermaker, Bier mit Whiskey die schwarze Urne auf dem Hocker neben sich. Allerdings beharrte sie voller Stolz darauf, dass sie niemals mehr als zwei Gläser von dem Zeug zu sich nahm. Höchstens.
»Wer ist dieses Mädchen?«, erkundigte sich Mort mit lauter, ungeduldiger Stimme.
Sofort waren alle still.
»Genau das ist die große Preisfrage, Mort. Peanut sitzt auf dem Revier und tut alles, um es herauszufinden.«
»Hast du dir meinen Artikel schon angesehen? Direkt auf der Titelseite.«
»Nein, ich hab die Zeitung bisher noch nicht in die Finger gekriegt, Mort. Tut mir leid. Was hast du denn für eine Schlagzeile?«
»Mogli lebt!«, verkündete er mit stolzgeschwellter Brust. »Ich nehme gern Bezug auf Klassiker. Hat mir in diesem Fall sogar einen Anruf vom National Enquirer eingebracht.«
Unwillkürlich zuckte Ellie zusammen. Auf den Gedanken, dass es sich bei den Ereignissen um eine echte Sensation handelte, war sie noch gar nicht gekommen. Fliegendes Wolfsmädchen landet in Regenwaldstädtchen. Das war mehr als eine Lokalnachricht.
Und jetzt hing auch noch Julia in der Sache mit drin.
Upps.
»Hast du die Leser auch aufgefordert, mit uns Kontakt aufzunehmen, falls jemand Informationen über das Mädchen besitzt und uns womöglich Hinweise geben kann, wer sie ist?«
Mort machte ein gekränktes Gesicht. »Aber selbstverständlich. Ich bin Profi, das weißt du doch. Ich möchte die Kleine übrigens gern interviewen.«
»Möchten wir das nicht alle? Momentan ist eine Psychologin bei ihr. Falls wir irgendwelche Neuigkeiten haben, lasse ich es dich sofort wissen. Was die gesammelten Sachen angeht ...«
»Das ist bestimmt Julia!«, fiel Violet ihr ins Wort und klatschte aufgeregt in die Hände.
»Natürlich!«, stimmte Marigold mit ein. »Ned hat sich schon gefragt, wer die blonde Frau sein könnte, die er gesehen hat.«
»Unglaublich, dass ich das nicht bemerkt habe. Sie sind zum Flughafen gefahren, um sie aufzugabeln«, rief auch Daisy.
»Heu wird aufgegabelt«, verbesserte sie Marigold mit einem Naserümpfen. Man würde ihr ewig anmerken, dass sie einmal Lehrerin gewesen war.
Mort wurde allmählich ungeduldig und hüpfte wie ein Junge, der in der Kinoschlange steht, um endlich Fluch der Karibik zu sehen. »Dann mach ich eben ein Interview mit deiner Schwester.«
»Ich habe nie gesagt, dass wir wegen der Kleinen mit Julia Cates Verbindung aufgenommen haben, und auch nicht, dass Julia hier
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