Wohin das Herz uns trägt
ist«, entgegnete Ellie und sah Mort fest in die Augen. »Ist das klar? Ich möchte ihren Namen nicht gedruckt sehen.«
»Vielleicht wenn du mir ein Exklusiv...«
»Kein Wort mehr.«
»Aber ...«
Daisy gab ihm eine Kopfnuss. »Mort Elzik, schlagen Sie sich das augenblicklich aus dem Kopf, wenn Ellie das nicht möchte. Ihre Mutter würde sich im Grab umdrehen, wenn Sie sich der Polizeichefin widersetzen. Außerdem würde ich sofort Ihren Vater anrufen, weiß Gott.«
»Lass die Finger davon, Mort«, sagte Ellie und fügte schnell noch ein »Bitte« hinzu, weil sie ja beide wussten, dass er im Prinzip tun konnte, was er wollte. Aber sie und Mort blickten auf eine lange gemeinsame Geschichte zurück, und manchmal waren sie immer noch der langweilige Typ von der Schülerzeitung und die Schönheitskönigin der Highschool, statt ernsthafter Lokalreporter und Polizeichefin. In Kleinstädten verhielt sich die soziale Dynamik wie Beton - sie verfestigte sich schnell und dauerhaft.
»Okay«, antwortete Mort und dehnte das Wort klagend in die Länge.
Ellie lächelte. »Gut.«
»Was sollen wir jetzt mit den ganzen Sachen machen, Chief?«, fragte Daisy.
»Erst mal vielen Dank, Daisy. Am besten stapeln Sie alles vor dem Haus, auf meinem Stellplatz. Und bitte sorgen Sie dafür, dass die Namen der Spender vermerkt sind, ich möchte mich bei allen persönlich bedanken.«
Marigold klopfte auf ihr Notizbuch. »Schon erledigt.«
»Gut.« Ellie nickte. »Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann. Also, dann mache ich mich am besten mal an die Arbeit, schließlich muss ich eine Identität feststellen. Danke für eure Hilfe. Das Mädchen hatte echt Glück, dass es ausgerechnet hier aufgetaucht ist.«
»Ja, wir kümmern uns um sie«, rief jemand.
Ellie machte sich auf den Rückweg über den Parkplatz. Hinter sich hörte sie das Murmeln der Menge, das mit jedem Schritt leiser wurde. Heute Abend würden wahrscheinlich sowohl im Bigfoot als auch im Pour House mehr Spekulationen serviert als Olympia-Bier. Und zwar zu gleichen Teilen über Julia wie über das Wolfsmädchen. Sie hätte es kommen sehen müssen.
Julia war immer etwas Besonderes gewesen in dieser kleinen Stadt, in der Gleichheit so wichtig war. Ein stilles, schlaksiges Mädchen, das irgendwie in die falsche Familie hineingeboren worden war, und sich dann zu allem Überfluss unvorstellbarerweise - als eine Art Genie herausgestellt hatte. Als sie noch hier lebte, hatten die Stadtbewohner nichts mit ihr anzufangen gewusst, und was sie jetzt von ihr halten sollten, war ihnen weiß Gott erst recht schleierhaft.
Ellie stieg in den alten Suburban ihrer Mutter - »Madge« für die Eingeweihten - und fuhr zurück zur Polizeiwache. Auf dem Weg wurde die Erledigungsliste in ihrem Kopf immer länger. Heute war der Tag, an dem sie herausfinden würde, wer dieses Mädchen war. Das musste klappen. Entweder würde jemand die Zeitung lesen und sich melden oder (noch besser) sie fand die Antwort in den als erledigt abgelegten Akten und wurde die Heldin des Tages.
Sie parkte auf ihrem Stellplatz und betrat das Polizeirevier.
In ihrem Büro stand Viggo Mortensen. Natürlich nicht leibhaftig, sondern nur als Papp-Aragorn in voller Herr-der-Ringe-Aufmachung. Jemand hatte ihm eine Sprechblase aus weißem Papier neben den Mund geklebt: Vergiss Arwen. Ich will lieber dich.
Ellie lachte laut.
In diesem Moment kam Peanut mit zwei Tassen Kaffee um die Ecke.
»Woher wusstest du, dass wir so was heute brauchen?«, fragte Ellie.
Peanut reichte ihr eine Tasse. »Ich hab eben gut geraten.«
»Und Aragorn? Wo hatte der sich versteckt?«
»Im Vorführraum des Rose Theater. Ned hat ihn mir ausgeliehen.«
»Dann muss ich ihn wohl zurückgeben?«
Peanut grinste. »Erst morgen. Oder vielleicht übermorgen. Ich hab Ned gesagt, es kann eine Weile dauern, denn ich weiß ja, wie dringend du einen Mann im Schlafzimmer brauchst. Und Ned meinte, Pappe ist immer noch besser als gar nichts.«
Ellie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Danke, Peanut.« Dann jedoch fiel ihr die Erledigungsliste wieder ein, und das Grinsen verschwand von ganz alleine. »Tja, am besten machen wir uns jetzt mal an die Arbeit.«
Peanut fischte ein Stück Papier unter dem Chaos auf ihrem Schreibtisch hervor. »So weit sind wir im Moment.« Sie setzte ihre strassbesetzte Lesebrille auf. »Das Zentrum für vermisste Kinder durchsucht seine Datenbank. Der erste Durchlauf hat über zehntausend mögliche Treffer
Weitere Kostenlose Bücher