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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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panierte Hühnchenbrustfilets mit Ketchup, Milch, Wackelpudding mit Fruchtstückchen, Käsepizza und ein Hotdog mit Pommes. Verführerische Düfte erfüllten den kleinen Raum. »Ich wusste nicht, was du gerne magst, deshalb habe ich so ziemlich alles holen lassen.«
    Julia klaubte ein klebriges Donut von dem roten Plastikteller. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal ein glasiertes Donut gegessen habe. Die Dinger sind nicht gesund, aber Junge, Junge, sie schmecken einfach köstlich.« Sie biss kräftig hinein, und der Geschmack explodierte in ihrem Mund. Sie ließ ihn sich auf der Zunge zergehen und sah das Mädchen direkt an. »Tut mir leid. Hast du Hunger? Vielleicht möchtest du auch was.«
    Bei dem Wort »Hunger« zuckte das Mädchen zusammen. Einen winzigen Moment huschte ihr Blick durchs Zimmer und kam auf dem Tisch mit dem Essen zur Ruhe.
    »Hast du das verstanden?«, fragte Julia und beugte sich kaum merklich vor. »Weißt du, was Hunger bedeutet?«
    Für den Bruchteil einer Sekunde sah das Mädchen sie an. Kürzer als einen Atemzug, aber Julia spürte die Wirkung bis in die Zehenspitzen.
    Sie hatte verstanden.
    Darauf hätte Julia ihre sämtlichen akademischen Auszeichnungen verwettet.
    Langsam griff Julia nach einem zweiten Donut, legte ihn auf einen roten Plastikteller und stand auf. Den Teller in der Hand näherte sie sich dem Mädchen ein Stück weiter als vorhin - diesmal lagen knapp zwei Meter zwischen ihnen. Wieder schniefte und wimmerte die Kleine und versuchte zurückzuweichen, aber die Wand setzte ihren Bemühungen eine unüberwindbare Grenze.
    Julia stellte den Teller vor sich hin und gab ihm einen kleinen Schubs, sodass er ein Stück über den Boden schlidderte. Nahe genug bei der Kleinen, dass sie die vanillige Süße riechen konnte, und zugleich weit genug entfernt, dass sie sich in Bewegung setzen musste, um sich den Teller zu angeln.
    Unterdessen kehrte Julia zu ihrem Stuhl zurück. »Hol ihn dir«, sagte sie. »Du hast Hunger. Hier ist was zu essen.«
    Diesmal blickte das Mädchen sie ganz direkt an. Julia spürte die verzweifelte Intensität der blaugrünen Augen. Sie schrieb Essen in ihr Notizbuch.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, versprach sie.
    Das Mädchen blinzelte. War das etwa eine Reaktion auf das Wort Angst ? Sie schrieb es auf.
    Minuten verstrichen. Sie starrten sich an. Schließlich sah Julia kurz zum Fenster neben der Tür hinüber. Dort stand der unverschämt attraktive Arzt und beobachtete sie.
    Doch kaum hatte Julia den Blick abgewandt, rannte das Mädchen zum Teller, schnappte ihn sich und sauste damit zurück in ihre Ecke, wie ein wildes Tier, das sich in seinen Bau zurückzieht, um zu fressen.
    Und wie sie aß ...
    Sie steckte fast den ganzen Donut in den Mund und begann laut zu schmatzen.
    Julia konnte sehen, wann sie den Geschmack bemerkte, denn ihre Augen wurden plötzlich ganz groß.
    »Es gibt doch nichts Besseres als einen guten Donut. Allerdings hättest du mal die Brownies von meiner Mom probieren müssen. Die waren einfach köstlich.« Noch immer stolperte Julia über die Vergangenheitsform. Seltsamerweise hätte sie schwören können, dass das Kind es auch bemerkte, obwohl sie es nicht hätte erklären können. »Jetzt solltest du aber auch ein bisschen Protein zu dir nehmen, Kleines. Zu viel Zucker ist ungesund.« Damit nahm sie einen Hotdog, gab Ketchup und Senf dazu und stellte ihn ein Stück vom Tisch entfernt auf den Boden.
    Das Mädchen schaute auf den leeren Teller, wo der Donut gewesen war. Ganz offensichtlich erkannte sie den Unterschied, und wie es aussah, schätzte sie nun die zusätzliche Entfernung und das zusätzliche Risiko ab.
    »Du kannst mir vertrauen«, sagte Julia sanft.
    Keine Reaktion.
    »Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Langsam hob das Mädchen das Kinn. Die blaugrünen Augen fixierten Julia.
    »Du verstehst mich, stimmt‘s? Vielleicht nicht alles, was ich sage, aber genug. Ist Englisch deine Muttersprache? Bist du hier aus der Gegend?«
    Das Mädchen warf einen Blick auf den Hotdog.
    »Neah Bay. Joyce. Sequim. Forks. Sappho. Pysht. La Push. Mystic.« Julia beobachtete das Mädchen genau, doch keiner der Ortsnamen rief eine Reaktion hervor. »Viele Familien gehen im Wald wandern, vor allem am Fall River entlang.«
    Hatte das Mädchen geblinzelt? Sie sagte es noch einmal: »Fall River.«
    Nichts.
    »Wald. Bäume. Dunkelheit.«
    Das Mädchen blickte ruckartig auf.
    Julia erhob sich und ging langsam auf sie zu. Als

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