Wohin das Herz uns trägt

Name des Urhebers: Mort Elzick.
    Ellie fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Schlag in den Magen verpasst. Das also hatte Mort mit seiner Drohung gemeint, als er das Interview verlangte. »Ich könnte schreien.«
    »Die gute Nachricht ist, dass er Julia nicht erwähnt hat«, sagte Cal. »Ohne offizielle Bestätigung traut er sich das anscheinend nicht.«
    So schnell sie konnte, überflog Ellie den Artikel. Wildes Kind kommt aus dem Wald in die moderne Welt, hat als einzigen Gefährten einen Wolf, springt von Ast zu Ast und heult den Mond an. So weit die Quintessenz des Ganzen.
    »Allmählich glauben die Leute, es ist ein schlechter Scherz«, fuhr Cal fort.
    Ellies Wut verwandelte sich in Sorge. Wenn die Medien zu dem Schluss kamen, dass die Geschichte ein Schwindel war, würden sie sich aus der Stadt zurückziehen. Aber ohne Publicity wurde die Familie des Mädchens wahrscheinlich nie gefunden. Ellie wühlte in ihrer Leinentasche und fischte das Foto heraus, das Julia tags zuvor geschossen hatte. »Bringt das hier in Umlauf.«
    Peanut nahm das Bild. »Nicht schlecht. Deine Schwester kann zaubern.«
    »Wir nennen sie Alice«, sagte Ellie. »Gebt das auch zu Protokoll. Vielleicht lässt ein Name sie realer erscheinen.«
    * * *
    Langsam wird Mädchen wach. Hier ist es still und friedlich, obwohl sie den Ruf des Flusses und das Flüstern der Blätter nicht hören kann. Auch die Sonne ist nicht zu sehen. Aber die Luft ist hell.
    Mädchen hat keine Angst.
    Einen Augenblick lang kann sie es selbst nicht glauben.
    Vorsichtig berührt sie ihre Gedanken, stochert in der Dunkelheit herum.
    Es ist wahr. Sie hat keine Angst. Sie kann sich nicht erinnern, sich jemals so gefühlt zu haben. Gewöhnlich ist ihr erster Gedanke: Verstecken ! So lange hat sie versucht, sich so klein wie möglich zu machen.
    Hier kann sie sogar atmen. In dieser seltsamen, eckigen Welt, in der man mit einer Berührung Licht herbeizaubern kann und der Boden hart und eben ist, kann sie frei atmen. Der schlechte Geruch von Ihm ist weg.
    Ihr gefällt es hier. Wenn Wolf bei ihr wäre, würde sie für immer in diesem Viereck bleiben, würde ihr Territorium im wirbelnden Wasser markieren und dort schlafen, wo man es ihr gesagt hat, dort, wo es ganz weich ist und nach Blumen riecht.
    »Dubistjawachkleines.«
    Die sonnenhaarige Sie hat gesprochen. Sie sitzt am Essplatz, hat wieder den dünnen Stock in der Hand, das Ding, das blaue Spuren hinterlässt.
    Mädchen steht auf und geht zum Reinigungsplatz. Der Zauberteich ist nun leer. Sie zieht die Hose nach unten und setzt sich auf den kalten Kreis. Als sie fertig gepinkelt hat, drückt sie auf das weiße Ding.
    Im anderen Raum steht Sie jetzt auf und schlägt die Hände zusammen, ein Geräusch wie von einem Jäger, und sie lächelt.
    Dem Mädchen gefällt dieses Lächeln. Es gibt ihr ein Gefühl von Geborgenheit.
    Aus dem Plappern verbotener Laute hört das Mädchen: »Komm.«
    Langsam und geduckt bewegt sie sich, hält ihr Inneres ganz fest. Sie weiß ja, wie gefährlich ein solcher Moment sein kann, vor allem, wenn man gerade nicht aufpasst. Sie sollte immer Angst haben, aber das Lächeln und die Luft und der weiche Schlafplatz machen, dass sie die Höhle vergisst. Und Ihn.
    Sie setzt sich an die Stelle, die Sonnenhaar will. Ich werde brav sein , denkt sie, schaut auf und versucht, das fröhliche Gesicht zu machen.
    Sonnenhaar bringt ihr Essen.
    Mädchen erinnert sich an die Regeln, und sie kennt den Preis, den man bezahlt, wenn man sie nicht befolgt. Das hat Er ihr oft genug eingebläut. Sie wartet, dass Sonnenhaar lächelt und nickt, etwas sagt. Dann isst das Mädchen das süße, klebrige Essen. Als sie fertig ist, bringt Sonnenhaar den Rest weg. Mädchen wartet.
    Schließlich setzt sich Sonnenhaar ihr gegenüber. Sie berührt ihre Brust und sagt immer wieder das gleiche Wort.
    »Dschui Ja.« Dann berührt sie Mädchen.
    »Al liss. Al liss.«
    Mädchen möchte brav sein, sie möchte hier bleiben, an diesem Ort, mit Ihr, die lächelt. Mädchen weiß, dass jetzt irgendetwas von ihr erwartet wird, aber sie hat keine Ahnung, was es sein könnte. Fast sieht es so aus, als möchte Sonnenhaar, dass Mädchen die bösen Laute macht, aber das kann nicht wahr sein. Ihr Herz schlägt so schnell, dass ihr ganz schwindlig wird, und übel.
    Schließlich zieht Sonnenhaar die Hand zurück, fasst in das viereckige Loch neben ihr und fängt an. Sachen herauszuholen und auf den Tisch zu legen.
    Mädchen ist fasziniert. Noch nie